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Britische Bremsklötze oder vernünftige Reformvorschläge? (Gastkommentar Paul Schmidt, Wiener Zeitung)

Die internationale Rolle Großbritanniens steht und fällt mit der EU-Mitgliedschaft.

Durch europäische Reformverhandlungen sollen den Briten Argumente für einen Verbleib in der EU geliefert werden. Dabei dürfte es der Regierung in London – mit Blick auf das bevorstehende Referendum – vor allem um die Betonung nationaler Interessen und weniger um eine Stärkung der EU gehen. In den nächsten Wochen sollen die spezifischen Anliegen öffentlich vorgestellt werden. Inwieweit mögliche Verhandlungsergebnisse tatsächlichen Einfluss auf das Abstimmungsverhalten haben werden, ist schwer abzuschätzen.

Auf die zu erwartenden Forderungen kann jedoch jetzt schon eingegangen werden: So ist den Briten das im EU-Vertrag festgehaltene Ziel einer “immer engeren Union” – obwohl von ihnen ratifiziert – ein Dorn im Auge. Durch zusätzliche Ausnahmeregelungen sollen weitere Souveränitätstransfers vermieden werden. Die Forderung nach mehr Effizienz und zusätzlichen Opt-Outs ist jedoch ein Widerspruch in sich. Rosinenpicken in einer Gemeinschaft von 28 Ländern funktioniert eben nur begrenzt.

Außerdem möchte der britische Premierminister vermeiden, dass die 19 Staaten der Eurozone die Nicht-Euroländer etwa in Binnenmarktfragen übergehen können. David Cameron setzt sich für eine “Fairness-Agenda” ein, die Großbritannien aber auch das Blockieren der Entscheidungen der Euroländer erleichtern könnte. Angesichts der aktuellen Herausforderungen in der Eurozone wird ein solches Entgegenkommen auf wenig Gegenliebe stoßen.

Mit einem “Rote Karte”-Mechanismus möchte London ein Vetorecht für nationale Parlamente bei der EU-Gesetzgebung etablieren. Selbst wenn dieses von einigen Regierungen unterstützt werden würde, ist die Sinnhaftigkeit angesichts der schon heute schwierigen Entscheidungsfindung fragwürdig. Statt einer Schwächung des EU-Parlaments sollte vielmehr die Zusammenarbeit mit ihm verbessert werden.

Zentrales Thema der Regierung Ihrer Majestät ist die Reduktion der ansteigenden Immigration, wobei insbesondere der Zugang zu britischen Sozialleistungen für EU-MigrantInnen eingeschränkt werden soll. Statt die gesamte Schuld auf die EU-Personenfreizügigkeit zu schieben, sollten die Briten jedoch zuerst den vollen Spielraum des EU-Regelwerks ausnützen. Abgesehen davon könnte auch die Netto-Steuerleistung der EU-Migranten gebührend betont werden.

Last but not least ist das Ziel einer Reduzierung von Regulierungen und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit auch Kernthema der EU-Kommission. Hier ist weniger Widerspruch zu erwarten – die Arbeit ist bereits in vollem Gange, und eine Steigerung von Wachstum und Beschäftigung wird grundsätzlich von allen EU-Ländern angestrebt.

Ein großer Wurf sieht anders aus. Letztlich wird mit kosmetischen und übereilten Änderungen weder die Europäische Union reformiert noch der britische EU-Verbleib sichergestellt. Ein stärkeres und damit effizienteres Europa statt Splendid Isolation müsste auch britisches Interesse sein.

Mit Fakten und vernünftigen Verbesserungsvorschlägen statt Mythen und nationalen Illusionen wäre das britische Referendum allemal zu gewinnen.