Noch sind es fast neun Monate bis zu den nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament. Eine Zeitspanne, die genützt werden sollte, um besonders auch die Zielgruppe der Erstwähler anzusprechen. Österreich ist – neben Malta – weiterhin ein Vorreiter in der EU: Nur in diesen beiden Ländern können bereits 16-Jährige an den Europawahlen teilnehmen. Die jährliche ÖGfE-Jugendumfrage zeigt: Zwar sehen sich die meisten Jugendlichen als EU-Bürger. Wenn es um das Gewicht der eigenen Stimme in der EU geht, zeigt sich dagegen ein ambivalenteres Bild.
Mehr als acht von zehn befragten Jugendlichen geben an, sich selbst als EU-Bürgerin bzw. EU-Bürger zu fühlen. Für 33 Prozent gilt dies „auf jeden Fall“, für 49 Prozent „eher schon“. Ein knappes Fünftel sieht sich dagegen „eher nicht“ (13 Prozent) bzw. „überhaupt nicht“ (5 Prozent) als BürgerIn der Union.
87 Prozent der Jugendlichen bis 15 Jahre bezeichnen sich selbst als EU-BürgerIn, in der Altersgruppe von 16 bis 18 sind es 82 Prozent, bei jenen, die 19 Jahre oder älter sind, liegt der entsprechende Wert bei 77 Prozent. Als EU-Bürgerin oder EU-Bürger sehen sich 86 Prozent der befragten Jugendlichen, die eine BHS besuchen. Ähnlich hoch ist dieser Wert bei SchülerInnen an AHS (84 Prozent) und Berufsschulen (80 Prozent).
Die befragten Jugendlichen sind geteilter Meinung in der Frage, ob die eigene Stimme in der EU zählt oder nicht. Insgesamt 49 Prozent sind „sehr“ (10 Prozent) oder „eher schon“ (39 Prozent“) dieser Ansicht. 52 Prozent sind allerdings vom Gegenteil überzeugt und antworten „eher nicht“ (38 Prozent) bzw. „gar nicht“ (14 Prozent). [Differenz auf 100 Prozent aufgrund gerundeter Werte]. Zwischen den einzelnen Befragungsgruppen gibt es in dieser Frage nur geringe Unterschiede.
Das Ergebnis macht deutlich: Bis zum Wahltag am 26. Mai 2019 gibt es noch gehörigen Kommunikationsbedarf, um Jugendliche davon zu überzeugen, dass auch die Teilnahme an den EU-Wahlen dazu beitragen kann, ihrer eigenen Stimme und damit den Interessen junger Menschen in der EU künftig mehr Gewicht zu verleihen. Ein offener und kritischer Dialog über Vorteile, Schwächen und Herausforderungen der Zusammenarbeit auf europäischer Ebene sollte helfen, das Interesse an der Union zu erhöhen und die Relevanz von EU-Entscheidungen auf das eigene Leben besser einschätzen zu können.
Sechs von zehn Jugendlichen (61 Prozent) geben an, dass Entscheidungen, die für ihr eigenes Leben von Bedeutung sind, am ehesten auf der nationalen Ebene in Österreich getroffen werden. 22 Prozent nennen in diesem Zusammenhang die EU-Ebene, 16 Prozent die regionale Ebene – also das jeweilige Bundesland oder die Gemeinde.
Insgesamt zeigen 51 Prozent der befragten Jugendlichen „sehr großes“ (11 Prozent) bzw. „eher schon“ (40 Prozent) Interesse am politischen Geschehen auf europäischer Ebene. Ein fast ebenso hoher Prozentsatz verneint dies jedoch (36 Prozent „eher nicht“ | 12 Prozent „gar nicht interessiert“), wobei sich das Meinungsbild der einzelnen Befragungsgruppen kaum voneinander unterscheidet. Das politische Geschehen in Österreich stößt dagegen auf deutlich höheres Interesse: Drei von vier Jugendlichen zeigen sich daran „sehr“ (29 Prozent) bzw. „eher schon“ (47 Prozent) interessiert, während dies für ein knappes Viertel „eher nicht“ (17 Prozent) bzw. „gar nicht“ (7 Prozent) gilt. Besonders groß ist – mit 83 Prozent – das Interesse bei SchülerInnen an BHS, die sich damit als einzige Befragungsgruppe etwas vom durchschnittlichen Meinungsbild abheben.
Gerade die Zeit des heimischen EU-Ratsvorsitzes ist eine gute Gelegenheit, die Europäische Union auch jenen näher zu bringen, die 2019 zum ersten Mal ihr Wahlrecht ausüben dürfen. Auch aus demokratiepolitischer Sicht ist es von nachhaltiger Bedeutung, potentielle Jung- und ErstwählerInnen „abzuholen“ und in die politische Zukunftsdiskussion einzubinden – auf europäischer wie nationaler Ebene.
Paul Schmidt
Hintergrund:
Die Umfrage wurde im Rahmen der Wanderausstellung „EUROPA#wasistjetzt“ österreichweit im Zeitraum September 2017 bis inkl. Mai 2018 durchgeführt. 3168 Jugendliche an 49 Schulen wurden schriftlich befragt. „EUROPA#wasistjetzt“ (www.wasistjetzt.eu) ist ein gemeinsames Projekt der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik, des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres und der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich.
Angaben zum Umfragesample: 25 Prozent der Befragten waren 15 Jahre oder jünger, 57 Prozent 16 bis 18 Jahre und 18 Prozent 19 Jahre und älter. 55 Prozent Schüler, 45 Prozent Schülerinnen; Einbezogene Schultypen (50 Prozent Berufs-, Fachschule, 32 Prozent AHS, 16 Prozent BHS, 2 Prozent NMS/KMS, HS, Polytechnische Schule). Bundesländerverteilung in Prozent: BGLD: 10, KTN: 14, NÖ: 29, OÖ: 5, SBG: 8, STMK: 14, TIR: 5, WIEN: 9, VBG 6. Auswertung der Umfrage: Sozialwissenschaftliche Studiengesellschaft. Fehlende Werte auf 100 Prozent = “Keine Angabe”.