Die österreichische Bundesregierung will bereits im März der EU-Kommission vorschlagen, die Zuwanderung in den nationalen Arbeitsmarkt zu begrenzen. Nur wenn sich für eine Stelle kein geeigneter in Österreich gemeldeter Arbeitsloser findet, soll der Job ohne Einschränkungen vergeben werden. EU-Bürger, die heute Inländern rechtlich gleichgestellt sind, würden damit wieder den Status von Drittstaatsangehörigen erhalten. Arbeitgebern müsste das Arbeitsmarktservice erst die Anstellung bewilligen. Die EU-Kommission soll initiativ werden und der EU-Ministerrat mit Mehrheitsbeschluss entscheiden.
Die Idee erinnert an den Vorschlag des britischen Premierministers David Cameron im Frühjahr 2016, der für den Fall einer ernsten Beeinträchtigung der Sozialsysteme aufgrund massiver Zuwanderung die EU-Kommission von der Notwendigkeit temporärer Schutzmechanismen überzeugen konnte. Der österreichische Vorschlag geht allerdings weiter. Während London Unionsbürgern zeitlich begrenzt Lohnergänzungsleistungen verwehren wollte, möchte man in Wien Vorrang für Inländer auf dem Arbeitsmarkt. Zuzug nach Österreich ist stark gestiegen Gerade in den letzten Jahren ist der Zuzug nach Österreich stark gestiegen. So hat sich etwa die Zahl ungarischer, slowakischer, rumänischer und bulgarischer Staatsbürger seit 2011 mehr als verdoppelt. Auch im EU-Vergleich zählt Österreich zu den Ländern mit der höchsten Zuwanderungsrate und liegt prozentuell vor Deutschland, Großbritannien und Frankreich. Übrigens: Die Immigration in die Schweiz ist nochmals um ein gutes Drittel höher. Der Hauptgrund für den starken Zuzug: Zwar wurde der Konvergenzprozess der mittel- und osteuropäischen Länder nach ihren jeweiligen EU-Beitritten mit teils doppelt so hohen Wachstumsraten zunächst erfolgreich ins Rollen gebracht, doch seit dem Ausbruch der Weltfinanzkrise stockt er. Heute ist es fast überraschend, dass die Migrationsbewegung von Ost nach West nicht noch viel höher ist. Allein der durchschnittliche Brutto-Stundenlohn in Österreich liegt – zumindest statistisch – mit 13,80 Euro weiterhin deutlich vor Ländern wie Slowenien (7,30), Tschechien (4,60), Slowakei (4,40), Polen (4,30), Ungarn (3,60), Rumänien (2,00) und Bulgarien (1,70). Noch augenscheinlicher wird das Lohngefälle bei Betrachtung des oberen und unteren Zehntels der offiziellen Gehälter, denn in Ungarn, Bulgarien und Rumänien erhält das oberste Zehntel weniger Lohn als das unterste Zehntel in Österreich.
Arbeitslosigkeit steigt Gleichzeitig steigt die Arbeitslosigkeit österreichischer wie auch ausländischer Staatsangehöriger. Die der Letzteren jedoch stärker. Und neben der Zuwanderung setzt auch die gestiegene Zahl der Entsendungen den Arbeitsmarkt unter Druck. Einschlägige Rechte bei Mindestentlohnung und Höchstarbeitszeiten gelten zwar auch für entsandte Arbeitnehmer, aber Sozialversicherungsbeiträge werden im Entsendeland entrichtet. Die Konsequenz: Wettbewerbsverzerrungen sowie Nachteile auch für entsandte Arbeitnehmer. Kritisiert werden jedoch insbesondere Regelverstöße in Form von Scheinentsendungen, Unterbezahlung, doppelten Arbeitszeiten und gefälschten Dokumenten. Der grenzüberschreitende Strafvollzug funktioniert mehr schlecht als recht. Trotzdem profitiert Österreich – nicht nur vom Binnenmarkt, sondern auch von der Arbeitnehmerfreizügigkeit an sich. Der Arbeitsmarkt benötigt Zuwanderung. Das Wifo errechnete, dass seit 1989 durch die Teilnahme am europäischen Integrationsprozess jährlich 18.500 Arbeitsplätze geschaffen wurden. 2015 zahlten in Österreich arbeitende Ausländer etwa 4,5 Milliarden Euro ins Sozialsystem ein, nur knapp die Hälfte davon wurde wieder an Leistungen ausbezahlt. Und in der Tourismusbranche haben sich die Nächtigungen aus den neuen Mitgliedstaaten seit 2005 verdoppelt. Nicht vergessen werden sollte auch, dass rund 264.000 Österreicher im EU-Ausland leben und aus Österreich ebenso Arbeitnehmer in andere EU-Staaten – allen voran nach Deutschland – entsendet werden.
Die vier Grundfreiheiten greifen ineinander Österreich ist einer der bedeutendsten Investoren und Exporteure in Mittel- und Osteuropa. EU-Förderungen in diese Länder wandern nicht selten in die Projektfinanzierung österreichischer Firmen. Lokale Supermärkte, Banken und andere Unternehmen wurden durch heimische Pendants ersetzt – eine Entwicklung, die auch in den Nachbarländern nicht immer auf Gegenliebe stößt. Die vier Grundfreiheiten greifen ineinander. Dreht man an einer ihrer Schrauben, setzen sich auch andere in Bewegung. Grundvoraussetzung für einen funktionierenden Binnenmarkt sind jedoch Fairness gegenüber Unternehmern und Arbeitnehmern, die Einhaltung bestehender Regeln sowie die Möglichkeit, auf Verwerfungen auch reagieren zu können. Gleichzeitig wäre es ein Gebot der Stunde, den Konvergenzprozess zwischen Ost und West – ökonomisch und sozial – mit europäischen Initiativen rasch wiederzubeleben.
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Eine Reform des EU-Primärrechts: Chance, Notwendigkeit und Perspektiven
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Multiple Krisen und Herausforderungen machen eine Reform der Europäischen Union notwendiger denn je. Doch möchte man zentrale Bestandteile der EU-Verträge ändern, müsste ein ordentliches Vertragsänderungsverfahren initiiert werden, in dessen Rahmen auch ein Konvent einzuberufen wäre und das – nicht zuletzt auch aufgrund der Einstimmigkeits- und Ratifikationserfordernisse – enorme Hürden mit sich bringen würde. Zu den stärksten Befürworter:innen einer umfassenden Vertragsänderung zählt jedenfalls das Europäische Parlament. Auch die Europäische Kommission würde sich einer Überarbeitung des EU-Primärrechts nicht verschließen. Richtet man den Blick hingegen auf die allgemeine politische Lage in der Union, so zeigt sich, dass der Spielraum der reform- und integrationsfreudigen Kräfte aktuell begrenzt ist. Vor diesem Hintergrund analysieren die Autor:innen dieses Policy Briefs, wie dennoch eine Weiterentwicklung der Union gestaltet werden könnte und inwiefern der EU-Erweiterungsprozess eine neue Reformdynamik auslösen würde.
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30 Jahre EU-Mitgliedschaft Österreichs – ein persönliches Resümee
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Am 1. Jänner 1995 trat Österreich gemeinsam mit Finnland und Schweden der Europäischen Union bei. In allen drei Staaten fanden zuvor Volksabstimmungen über den EU-Beitritt statt, wobei die Zustimmung in Österreich mit 66,6 % am höchsten war. Im Vorfeld des 30-jährigen Jubiläums der EU-Mitgliedschaft Österreichs blickt der Autor des Policy Briefs auf dieses historische Ereignis zurück und diskutiert dabei unter anderem entscheidende Etappen und Fragen auf dem Weg zum Beitritt. Zudem analysiert er den erheblichen Strukturwandel im Zuge der EU-Mitgliedschaft am Beispiel der Wettbewerbspolitik und zeigt auf, wie entsprechende Anpassungen bei der Entwicklung des Europäischen Binnenmarktes dazu beitragen könnten, Kernelemente eines „europäischen Gesellschaftsmodells“ zu bewahren und zu vertiefen.
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