Es waren hochgesteckte Ziele, die der österreichische EU-Ratsvorsitz hatte. Das jeweilige Vorsitzland kann und soll auch Akzente setzen, tatsächlich ist sein realpolitischer Gestaltungsspielraum aber begrenzt. Es sind vor allem koordinative Aufgaben, die im Mittelpunkt der meist administrativen Knochenarbeit stehen. Das Vorsitzland soll Europa einen guten Dienst erweisen, eigene Interessen hintanstellen und europäischen Verhandlungen zum Durchbruch verhelfen.
Die Mühen mit der Migration
Die Entscheidungsfindung auf EU-Ebene ist komplex und langwierig, vor allem, wenn die Positionen in den Hauptstädten einander diametral entgegenstehen. Das musste Österreich als Vorsitzland beim selbst proklamierten Paradigmenwechsel im Kampf gegen die illegale Migration am eigenen Leib erfahren. Ankündigungen alleine reichen hier eben nicht. So gibt es weiter keine Reform der Dublin-Regeln, die angestrebte vorzeitige Aufstockung der Grenzschutzbehörde Frontex wurde vertagt, Überlegungen zur Kontrolle der Migration nach Europa etwa durch außereuropäische “Anlandeplattformen” erwiesen sich als Schnellschuss.
Erfolge bei Banken und Plastik
Auf der Habenseite kann Österreich seine Rolle bei den Verhandlungen für den künftigen mehrjährigen Finanzrahmen der EU verbuchen. Kein Placet fanden hingegen Bestrebungen, eine EU-weite Digitalsteuer auf den Weg zu bringen, beziehungsweise das Ende der Bemühungen um eine Finanztransaktionssteuer. Beispiele für abgeschlossene Verhandlungen wären etwa auch das Bankenpaket, die CO2-Reduktion bei Neuwagen und das Teilverbot von Einwegplastik. Die von Österreich forcierte EU-Erklärung gegen Antisemitismus war ebenso eine positiv inszenierte Initiative.
Beim aktuell wohl brennendsten Thema, dem Brexit, war die Vorsitzrolle von vornherein begrenzt. Die EU-27 ließen sich in ihrer einheitlichen Haltung gegenüber den Briten nicht beirren, ein guter wie seltener Ansatz, der sich auch – nolens volens – in der Verlängerung der Russland-Sanktionen zeigte.
In der vom Ratsvorsitz forcierten EU-Annäherung der Länder des Westbalkans gab es keinen großen Wurf, lediglich zwei neue Verhandlungskapitel mit Serbien wurden geöffnet. Die europäische Zukunftsdebatte wurde mit dem österreichischen Lieblingsthema, einer stärkeren Subsidiarität in der Union, vermischt. Auch hier blieb es schlussendlich bei politischen Willensbekundungen.
Österreich hat seine europäische Pflicht erfüllt, sich professionell und gastfreundlich präsentiert und als Vermittler vor allem auf technischer Ebene gepunktet. Um der politischen Wirklichkeit gerecht zu werden, hätte die Kür ein realistischeres Erwartungsmanagement sowie nachhaltigeres Engagement für europäische Lösungen jedoch durchaus vertragen.
Der österreichische EU-Ratsvorsitz zwischen Anspruch und Wirklichkeit.