Wählen ab 16 – warum nicht überall in Europa? (Gastkommentar Paul Schmidt, Wiener Zeitung)

Seit 2007 kann Österreichs Jugend – im Unterschied zu Jugendlichen in anderen EU-Ländern – schon ab 16 Jahren an Wahlen auf allen politischen Ebenen teilnehmen. Malta hat erst vor kurzem die generelle Senkung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre beschlossen. In Deutschland kann man mit 16 Jahren zumindest bei einigen Kommunal- beziehungsweise Landtagswahlen wählen, und in Schottland dürfen Jugendliche ebenfalls ab 16 Jahren bei den regionalen Parlamentswahlen ihre Stimme abgeben. Die EU-Kommission wiederum denkt darüber nach, die Senkung des allgemeinen Wahlalters für eine Teilnahme an Europäischen Bürgerinitiativen vorzuschlagen.

Der Trend könnte in Europa Schule machen. Daher sollten die österreichischen Erfahrungen auf europäischer Ebene diskutiert werden. Zehn Jahre nach der Wahlrechtsreform in Österreich ist das Ziel einer kontinuierlich hohen beziehungsweise steigenden Wahlbeteiligung der Jungen allerdings noch nicht erreicht. Die Wahlbeteiligung der Erstwähler ist, gemäß “Austrian National Election Study”, Schwankungen ausgesetzt, die von unterschiedlichen Faktoren abhängen. Der Starteffekt bei den Nationalratswahlen 2008, an denen erstmals 16-Jährige teilnehmen durften, war positiv – danach blieb die Wahlbeteiligung der Jungwähler jedoch hinter den Erwartungen zurück.

Andererseits belegen die Ergebnisse des aktuellen “Flash Eurobarometer European Youth” den Beginn einer positiven Entwicklung: Gleichauf mit Italien liegt Österreich hier an erster Stelle bei der Wahlbeteiligung von Jungwählern zwischen 15 und 30 Jahren. 79 Prozent der befragten österreichischen Jugendlichen gaben an, in den vergangenen drei Jahren an lokalen, regionalen oder nationalen Wahlen teilgenommen zu haben. Im europäischen Durchschnitt waren es lediglich 64 Prozent.

Auch das steigende politische Interesse der Jugend zwischen den Nationalratswahlen 2013 und 2017 ist ein wichtiges Signal. Um diesen Trend weiter zu unterstützen, braucht es auch das Angebot schulischer und außerschulischer Begleitmaßnahmen. Dabei sind nachhaltige Strategien von Pädagogen, aber auch von politischen Entscheidungsträgern und Meinungsmachern gefragt. Ein bereits seit längerem geforderter Schritt wäre auch die Einführung von Politischer Bildung als eigenes Schulfach in allen Schulformen sowie eine adäquate Aus- und Fortbildung der Lehrer für den Bereich Europa. Die Pädagogen sollten das notwendige Werkzeug mitbekommen, um altersgerecht über Möglichkeiten politischer Teilhabe zu informieren und die Lust an politischer Partizipation zu wecken.

Die junge Generation ist im Schnitt pro-europäischer eingestellt als die ältere Generation. Daher wäre es letztlich auch für den Zusammenhalt in Europa von Vorteil, wenn Jugendliche so früh wie möglich in den politischen Gestaltungsprozess eingebunden werden. Die intuitiv pro-europäische Haltung der Jugend sollte mit konkretem Wissen über die EU und aktuelle Entwicklungen ergänzt werden. Wie? Jedenfalls mit einem Dialog auf Augenhöhe über Vorteile, Problemlagen und die zukünftige Ausrichtung der europäischen Integration.

Eine Politik, die über Jahre auf die nationale Populismuskarte setzt, hinterlässt ihre Spuren. Eine ehrlichere Debatte, die nicht nur von anderen einfordert, sondern aktiv gemeinsame Lösungen forciert, bietet nachhaltigere Perspektiven. Der Rückzug in nationale Befindlichkeiten ist jedenfalls das Gegenteil einer Antwort auf europäische Herausforderungen. Ein gemeinsames Europa hat letztlich mehr Potenzial als jeder Abschottungsversuch des eigenen Schrebergartens.