Europäische Bürgerinitiative – eine ziemlich durchwachsene Bilanz (Gastkommentar Paul Schmidt, Der Standard)

Am 1. April feiert die Europäische Bürgerinitiative – kurz EBI – ihren sechsten Geburtstag. Ihr Ziel ist die Förderung der direktdemokratischen Mitbestimmung und eine stärkere Beteiligung der Bürger am EU-Gesetzgebungsprozess. Richtig abgehoben hat das ambitionierte Projekt allerdings noch nicht – und auch der Kenntnisstand der Österreicher ist gering. Zwei Drittel der Österreicher geben in einer aktuellen Umfrage der Gesellschaft für Europapolitik an, noch nie vom Instrument der EBI gehört zu haben, was mehr ist, als ein halbes Jahr nach ihrem Start 2012.
Eine Million Unterstützungserklärungen aus mindestens einem Viertel der Mitgliedsländer muss eine EBI sammeln, um damit die EU-Kommission zu verpflichten, innerhalb von drei Monaten eine formelle Stellungnahme zu erstellen und Maßnahmen vorzuschlagen – wenn das Thema in ihren Kompetenzbereich fällt. Allerdings behält sich die Kommission das alleinige Initiativrecht vor und ist rechtlich nicht verpflichtet, erfolgreiche EBIs mittels Gesetzesvorschlag umzusetzen.

Keine Legislativvorschläge
Bis dato wurden EU-weit 48 Bürgerinitiativen als gültig registriert, 22 weitere wurden nicht zur Unterschriftensammlung zugelassen. Geschätzt neun Millionen EU-Bürger haben sich laut Kommission bereits an einer Initiative beteiligt. Die Bilanz ist dennoch durchwachsen. Erst vier EBIs konnten alle Kriterien erfüllen, wobei auch in Österreich über 130.000 Unterstützungserklärungen zusammenkamen. Bei dreien davon – die sich gegen Tierversuche, für den Schutz von Trinkwasser als öffentliches Gut sowie das Verbot von Glyphosat aussprachen – hat die Kommission zumindest Folgemaßnahmen eingeleitet.
Zu Legislativvorschlägen ist es allerdings in diesen sechs Jahren noch kein einziges Mal gekommen. Zwar wurde die Trinkwasser-Richtlinie geändert und ein Gesetzgebungsvorschlag über eine transparentere Beurteilung von Pestizidzulassungen angekündigt. Insgesamt ist dies jedoch zu wenig, um den Bekanntheitsgrad und die Attraktivität des Instruments zu steigern.

Eine Reihe von Hindernissen
Dabei hat die EBI durchaus Potential – so man sie ernst nimmt. Auch rund die Hälfte der Österreicher hält sie an sich für sinnvoll. Bürokratische Hürden und niedrige Erfolgsaussichten wirken jedoch demotivierend, eine EBI zu starten oder zu unterschreiben. Dazu kommt die Unsicherheit potentieller Initiatoren, ob die Kommission tatsächlich für die von ihnen vertreten Anliegen zuständig ist und ihr Vorschlag somit weiterbearbeitet wird. Unterschiedliche Richtlinien zur Abgabe von Unterstützungserklärungen in den einzelnen Mitgliedstaaten oder das Fehlen eines wirklich vereinheitlichten Online-Sammlungssystems sind ein weiterer Hemmschuh, wie generell die Initiierung einer neuen Bürgerinitiative mit einem hohen organisatorischen Aufwand verbunden ist.
Immerhin hat die Kommission in den letzten drei Jahren zumindest 90 Prozent der insgesamt 19 vorgeschlagenen Bürgerinitiativen zur Unterschriftensammlung zugelassen, wobei nun auch eine teilweise Registrierung einer EBI möglich ist. Eine Neufassung der Verordnung über die EBI soll bis Ende 2018 verabschiedet werden und Anfang 2020 in Kraft treten. Geht es nach der Kommission sollen dann EU-weit – wie bereits in Österreich – auch schon 16-Jährige eine EBI unterstützen können. Bereits im Frühjahr soll eine Kommunikationskampagne lanciert werden, die der EBI neuen Schwung und Bekanntheit verschaffen soll. Alles wichtig. Aber um die hohen Erwartungen, die in dieses Instrument gesetzt wurden, auch zu erfüllen, muss es vor allem ernster genommen werden. Ohne regelmäßige Gesetzesvorschläge, basierend auf Bürgerinitiativen, kann es letztlich nicht funktionieren.