Voices of Central and Eastern Europe – GLOBSEC Report

„Eine überwiegende Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher spricht sich für ein liberales demokratisches System aus, wobei die Unterstützung deutlich höher ist als bei unseren mittel- und osteuropäischen Nachbarn. Dennoch lassen sich einige Tendenzen im heimischen Meinungsbild erkennen, die Politik und Gesellschaft als Weckruf dienen sollten“, betont Paul Schmidt, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE), mit Verweis auf eine umfassende 10-Länder-Analyse, die vom slowakischen Think Tank GLOBSEC (www.globsec.org) mit der ÖGfE als österreichischem Partner in Auftrag gegeben wurde.

Im Rahmen des Projekts wurde untersucht, wie die Menschen in der Region das Funktionieren der Demokratie beurteilen, wie sehr politischen AkteurInnen und Medien vertraut, wer als Bedrohung für Werte und Identität angesehen und welchen (Verschwörungs-)Theorien Glauben geschenkt wird. Hierzu wurde im März 2020 das Meinungsbild in Österreich, Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, der Slowakei, Tschechien und Ungarn erhoben (rund 1.000 Befragte pro Land).

Insgesamt 92 Prozent der ÖsterreicherInnen unterstützen in der Umfrage ein „liberales demokratisches System. Damit liegt Österreich im 10-Länder-Ranking auf Platz 1, gefolgt von Ungarn (82 Prozent), Polen (66 Prozent) und Estland (65 Prozent). Am Ende der Skala finden sich Lettland (43 Prozent) und Bulgarien, wo sich nur 35 Prozent explizit für ein liberal-demokratisches System aussprechen.

Nur 7 Prozent würden in Österreich für einen „starken, entschlossenen Führer“ plädieren. Am stärksten ist dieser Wunsch in Bulgarien mit 45 Prozent, der Slowakei (38 Prozent), Lettland (35 Prozent) und Rumänien mit 34 Prozent.

Die Zufriedenheit mit der Funktionsweise der Demokratie ist hierzulande hoch: 86 Prozent zeigen sich „sehr“ oder „eher“ damit zufrieden. In Tschechien und Polen sind es dagegen nur 47 Prozent, während die Demokratiezufriedenheit in Rumänien (30 Prozent) und Bulgarien (18 Prozent) am geringsten ist.

„Fehlendes Demokratie- und Medienvertrauen, ungenügende Transparenz und Unzufriedenheit mit der eigenen Lebenssituation sind ein idealer Nährboden für Verschwörungstheorien und machen anfällig für Desinformation. Obwohl acht von zehn ÖsterreicherInnen die heimischen Medien im Großen und Ganzen für ‚frei‘ halten, ist das Vertrauen in sie doch relativ gering, wenn jeder zweite Befragte angibt, den ‚gängigen Massenmedien‘ zu misstrauen“, so Schmidt.

In der Slowakei (79 Prozent), Tschechien (77 Prozent) und Rumänien (73 Prozent) ist eine ähnlich hohe Zahl von Befragten davon überzeugt, dass die Medien „frei“ sind. In Litauen (37 Prozent), Bulgarien (38 Prozent) und Polen (39 Prozent) ist ihre Anzahl deutlich geringer. Das höchste Medienvertrauen findet sich in Lettland (58 Prozent) und Estland (48 Prozent), das geringste in Polen (33 Prozent) und Bulgarien (37 Prozent).

42 Prozent der befragten ÖsterreicherInnen sehen MigrantInnen als „Gefahr für die heimischen Werte und Identität“. 53 Prozent teilen diese Meinung nicht. In sechs der zehn Befragungsländer ist der Anteil jener, die sich bedroht fühlen, teils noch deutlich stärker. Zudem sind 41 Prozent der ÖsterreicherInnen überzeugt, dass MigrantInnen hierzulande bevorzugt werden.

21 Prozent der heimischen Befragten sagen, dass „die Europäische Union eine Bedrohung für unsere Werte und Identität“ ist. 74 Prozent sind nicht dieser Überzeugung. Am stärksten wird diese Ansicht in Tschechien (45 Prozent), der Slowakei (35 Prozent) und Bulgarien (31 Prozent) vertreten.

43 Prozent der Befragten stimmen der Aussage „Die EU und Brüssel diktieren Österreich, was zu tun ist, ohne dass Österreich eine Chance hat, dies zu beeinflussen“ „sehr“ oder „eher“ zu. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten (54 Prozent) widerspricht dem jedoch. In Rumänien ist diese Aussage beispielsweise stärker verbreitet (53 Prozent), etwas schwächer hingegen in Ungarn (38 Prozent) und Tschechien (33 Prozent).

„Krisen und Umbrüche haben in den letzten Jahren zu einem Erstarken populistischer Kräfte und einer gesellschaftlichen Polarisierung geführt – eine Tendenz, die weiterhin anhält. Verschwörungstheorien und Desinformation fallen auch in Österreich auf fruchtbaren Boden, wenngleich in geringerem Maße als in anderen Ländern Mittel- und Osteuropas. Die Politik muss auf diese Entwicklungen offensiv mit Fakten reagieren und den Dialog suchen. Eine starke Zivilgesellschaft und eine unabhängige Medienlandschaft sind hierbei unverzichtbare Partner – sowohl hierzulande als auch bei unseren Nachbarn in der EU“, schließt Schmidt.