Die ÖGfE hat sich das Abstimmungsverhalten der österreichischen EU-Abgeordneten zu ausgewählten Punkten der Tagesordnung angesehen. Die namentlichen Abstimmungen behandelten die folgenden Themen:
- Neuer Europäischer Sozialfonds: Mehr Geld für Jugendliche
- “InvestEU”: Impulse für Beschäftigung, Wachstum und Investitionen
- Verlust von EU-Geldern bei Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit
- Mehr Mittel für “Rechte und Werte”-Programm
- Lage der Grundrechte in der EU
Neuer Europäischer Sozialfonds: Mehr Geld für Jugendliche
Bereits seit 60 Jahren ist der Europäische Sozialfonds (ESF) eines der wichtigstes Finanzierungsinstrumente der EU. Er trägt zur Armutsbekämpfung, sozialen Eingliederung, Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit aber auch zu besseren Lebensbedingungen sowie generell zur Schaffung fairer Gesellschaften bei. Das Parlament befürwortete seine Aufstockung um rund 19% von 89,6 Mrd. Euro auf 106,8 Mrd. Euro im langfristigen EU-Haushalt 2021-2027. Jugendliche und Kinder sollen die Hauptbegünstigten sein.
„InvestEU“: Impulse für Beschäftigung, Wachstum und Investitionen
Trotz zahlreicher Initiativen gibt es in der EU nach wie vor eine beträchtliche Investitionslücke. Vor diesem Hintergrund wurde das InvestEU-Programm ins Leben gerufen, welches mehrere EU-Finanzinstrumente vereint. Das Parlament hat seinen Standpunkt zu diesem neuen EU-Programm festgelegt. Gegenüber dem Vorschlag der Kommission fordert es eine Erhöhung der EU-Garantie auf 40,8 Mrd. Euro, um Investitionen in Höhe von 698 Mrd. Euro zu erreichen. Darüber hinaus soll die Rechenschaftspflicht gegenüber den EU-BürgerInnen verbessert und ein stärkerer Fokus auf den Klimaschutz gelegt werden.
Verlust von EU-Geldern bei Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit
Das Parlament verabschiedete neue Vorschriften zum Schutz des EU-Haushalts und zur Achtung der EU-Werte. Künftig soll es möglich sein EU-Regierungen, die die Justiz behindern oder Betrug und Korruption nicht bekämpfen, finanzielle Mittel zu streichen. Unterstützt von einem Gremium unabhängiger ExpertInnen soll die Kommission jährlich die Rechtsstaatlichkeit in allen EU-Mitgliedsländern prüfen. Sollten Mängel in Bezug auf das Rechtsstaatprinzip in einem Mitgliedsland festgestellt werden können Parlament und Rat den Abfluss von EU-Geldern sperren bzw. gegebenenfalls auch wieder freischalten. Der Schutz von Endbegünstigten dieser finanziellen Mittel, wie etwa Organisationen der Zivilgesellschaft oder ForscherInnen, soll gewährleistet bleiben.
Mehr Mittel für „Rechte und Werte“-Programm
Die Mehrheit der Abgeordneten sprach sich für eine Verdreifachung der finanziellen Mittel für das „Rechte und Werte“-Programm im EU-Haushalt 2021-2017 aus. Künftig sollten bis zu 1,8 Mrd. Euro für dieses Programm vorgesehen werden. Sollte es zu einer rapiden Verschlechterung und einer akuten Bedrohung der EU-Grundrechte in einem Mitgliedstaat kommen, brauche es darüber hinaus ein Schnellverfahren, um den demokratischen Dialog und Organisationen der Zivilgesellschaft bestmöglich zu unterstützen.
Lage der Grundrechte in der EU
Die Mehrheit der Abgeordneten kritisierte in einer Resolution die Grundrechtesituation in der EU. Gewalt und Diskriminierung gegen Frauen stünden nach wie vor auf der Tagesordnung. Auch die Bestrebungen der Regierungen einiger Mitgliedstaaten, die Rechtsstaatlichkeit zu schwächen, wurden vom Plenum verurteilt. Besorgt zeigten sich die Abgeordneten außerdem angesichts der zunehmenden Trivialisierung von Hassreden und dem Erstarken rechtsextremer Bewegungen. Sie beklagten auch, dass in einigen EU-Ländern die Grundrechte von MigrantInnen und Asylsuchenden verletzt würden.
Weitere Höhepunkte der Sitzungswoche
Bundeskanzler Sebastian Kurz zog im Plenum Bilanz über den österreichischen EU-Ratsvorsitz. Dieser sei sehr zufriedenstellend verlaufen und hätte einige Erfolge zu verbuchen. Konkret wies er auf Österreichs Initiative gegen Antisemitismus, das Afrikaforum, Fortschritte beim EU-Außengrenzschutz sowie am Westbalkan hin. Lob für Österreich kam von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Er bezeichnete den österreichischen Ratsvorsitz als einen „der erfolgreichsten in der jüngeren Geschichte der EU. Die einzige Ausnahme sei die Nicht-Annahme des UNO-Migrationspaktes gewesen“, so Juncker weiter. Auch der Fraktionsvorsitzende der EVP, Manfred Weber, lobte die positive Bilanz des österreichischen Vorsitzes. SPE-Vizechefin Maria Joao Rodrigues zeigte sich enttäuscht darüber, dass die soziale Säule der EU nicht gestärkt wurde. Kritik am „Kniefall Österreichs vor Russland“ sowie der Enthaltung beim UNO-Migrationspakt kam auch von der Fraktionschefin der Grünen, Ska Keller.
Im Plenum fand erneut eine Debatte zu den aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Brexit statt. Nach der Ablehnung des Austrittsabkommens im britischen Unterhaus liege es nun an der britischen Regierung und dem britischen Parlament der EU ehestmöglich mitzuteilen, welche Beziehungen zur EU angestrebt würden. Es brauche einen parteiübergreifenden Dialog im Vereinigten Königreich, um die festgefahrene Lage zu überwinden. Ein Austritt aus der EU ohne Abkommen würde keiner Seite dienen, so die Abgeordneten.
Die nächste Plenarsitzung findet von 11. bis 14. Februar 2019 in Straßburg statt.