Die ÖGfE hat das Abstimmungsverhalten aller österreichischen EU-Abgeordneten zu ausgewählten Punkten der Tagesordnung beobachtet. Die untersuchten namentlichen Abstimmungen behandelten die folgenden Themen:
- Neue Regeln für den Verkauf von Versicherungen
- EU-Haushalt 2016: Endgültige Abstimmung
- Maßnahmen gegen Kinderarmut und soziale Ausgrenzung
- Bekämpfung aggressiver Steuerplanung und -hinterziehung
- Gemeinsame EU-Strategie zur Bekämpfung von Radikalisierung und Terrorismus
Neue Regeln für den Verkauf von Versicherungen
Das Plenum stimmte mit großer Mehrheit neuen Regeln für den Verkauf von Versicherungen in der EU zu. Sie sollen die Rechte der VerbraucherInnen stärken und mehr Transparenz sowie bessere Informationen für KundInnen bringen. Die neuen Regeln gelten nicht nur für Versicherungsunternehmen und -vermittler selbst – sie müssen von allen Versicherungsverkäufern eingehalten werden (z.B. Reisebüros und Autovermietungsfirmen).
EU-Haushalt 2016: Endgültige Abstimmung
Das Parlament nahm den endgültigen Entwurf für den EU-Haushalt 2016 an. Er sieht 155 Mrd. Euro für Verpflichtungen und 143,9 Mrd. Euro für Zahlungen vor. Die Abgeordneten konnten ihre in der letzten Plenarsitzung beschlossenen Forderungen großteils durchsetzen und somit die meisten vom Rat beschlossenen Kürzungen wieder rückgängig machen. Zusätzliche Mittel wird es für die Bewältigung der Flüchtlingskrise (1,6 Mrd. Euro), für KMU (14,3 Mill. Euro), für das Forschungsprogramm „Horizont 2020“ (184,5 Mill. Euro), das Infrastrukturprogramm „Connecting Europe“ (150 Mill. Euro) und das Mobilitätsprogramm „Erasmus plus“ (6,6 Mill. Euro) geben.
Maßnahmen gegen Kinderarmut und soziale Ausgrenzung
Kinderarmut ist ein Phänomen, das ganz Europa betrifft. Rund 26 Millionen Kinder (27,7%) sind aktuell von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Es existieren allerdings große Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten. Am schlimmsten ist die Situation in Rumänien, wo rund die Hälfte der Kinder (51%) von Armut bedroht ist. Dänemark weist mit 14,5% den niedrigsten Prozentsatz auf und Österreich liegt mit 23,3% im unteren Mittelfeld. Das Parlament forderte die Mitgliedstaaten in einer Resolution dazu auf, vehementer gegen Kinderarmut und soziale Ausgrenzung vorzugehen.
Bekämpfung aggressiver Steuerplanung und -hinterziehung
Rund eine Billion Euro jährlich gehen in Europa durch Steuervermeidung und -hinterziehung verloren. Der Grund dafür sind 28 nationale Steuersysteme in einem gemeinsamen Binnenmarkt. Das führt zu einem Körperschaftssteuerwettbewerb innerhalb der EU, der Steuerschlupflöcher für Großkonzerne zulässt. Die Mehrheit der Abgeordneten fordert im Abschlussbericht des LuxLeaks-Sonderausschusses zum wiederholten Male, dass Großkonzerne ihre Gewinne dort besteuern, wo sie erwirtschaftet wurden. Als konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung empfiehlt das Parlament die Einführung einer EU-weit einheitlichen Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage, mehr Transparenz bei den bislang geheimen Steuerverhandlungen zwischen EU-Ländern und multinationalen Unternehmen sowie eine Berichterstattungspflicht für grenzüberschreitend tätige Unternehmen über ihre Gewinne und gezahlten Steuern. Auch so genannte „Whistleblower“, die illegale Steuerpraktiken aufdecken, sollen besser geschützt werden.
Gemeinsame EU-Strategie zur Bekämpfung von Radikalisierung und Terrorismus
Die Abgeordneten sprachen sich für eine gemeinsame umfassende EU-Strategie zur Bekämpfung von Radikalisierung und Terrorismus aus. Eckpfeiler einer solchen Strategie müssten ein besserer Austausch von Informationen zwischen den EU-Mitgliedstaaten sowie Präventivmaßnahmen und Hotlines für Familienangehörige von radikalisierten Personen sein. Der Verbreitung gewaltbereiter und extremistischer Ideologien sollte vor allem in Gefängnissen und im Internet entgegengewirkt werden. Bildung und soziale Inklusion seien ein Schlüsselelement, um insbesondere der Radikalisierung von Jugendlichen den Nährboden zu entziehen.
Weitere Höhepunkte der Sitzungswoche
Das Plenum gedachte der Opfer der jüngsten Terroranschläge in Paris, Beirut, Damaskus und Tunis. Haupttenor der Debatte war, dass Europa trotz der tragischen Ereignisse seine Toleranz und Freiheit nicht preisgeben dürfe. Es brauche dringend eine bessere Zusammenarbeit der Geheimdienste und Polizeibehörden, einen effizienteren Datenaustausch und mehr finanzielle Mittel für Anti-Terrormaßnahmen. Diese müssten allerdings mit der EU-Grundrechtecharta in Einklang sein. Einig war man sich auch darin, dass die in Europa um Asyl ansuchenden Flüchtlinge keinesfalls mit Terroristen gleichgesetzt werden dürften.
Das Plenum nahm mit großer Mehrheit eine Entschließung an, in der sich die Abgeordneten gegen die geplante Genehmigung von recyceltem Plastik mit giftigem Weichmacher aussprechen. Es könne nicht hingenommen werden, dass die Gesundheit von Arbeitnehmern, die das Recycling vornehmen, beeinträchtigt wird.
Die nächste Plenarsitzung findet von 14. bis 17. Dezember 2015 in Straßburg statt.