Die aktuelle Plenarsitzung des Europäischen Parlaments hat von 23. bis 26. November 2020 in Brüssel stattgefunden.
Die namentlichen Abstimmungen behandelten die folgenden Themen
- VerbraucherInnen sollen „Recht auf Reparatur“ bekommen
- Sorge um die Medienfreiheit in der EU
- Verbesserung der EU-Demokratie bis zu den Europawahlen 2024
- Neue EU-Industriestrategie
- EU-Grundrechte: Warnung vor Verschlechterungen
VerbraucherInnen sollen „Recht auf Reparatur“ erhalten
Die Abgeordneten sprachen sich dafür aus, nachhaltiges VerbraucherInnenverhalten sowie eine Kultur der Wiederverwendung und Reparatur von Produkten EU-weit zu fördern. Konkret fordern sie die Kommission u.a. dazu auf, den VerbraucherInnen ein „Recht auf Reparatur“ einzuräumen: Die Reparatur von Geräten soll (finanziell) attraktiver werden. Auch ein einheitliches Ladegerät soll eingeführt werden, um den Elektroschrott zu reduzieren. Damit Geschäftsmodelle sowie das VerbraucherInnenverhalten nachhaltiger werden, brauche es mehr Nachhaltigkeit bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und eine verantwortungsvollere Vermarktung von Produkten.
Sorge um die Medienfreiheit in der EU
Das Parlament zeigte sich sehr besorgt über den Zustand der Medienfreiheit in der EU. Diese habe in den letzten Jahren abgenommen – eine Tendenz, welche durch die Coronavirus-Pandemie noch verstärkt wurde. Manche EU-Regierungen würden zunehmend versuchen, kritische und unabhängige Medien zum Schweigen zu bringen. Dabei schrecke man auch nicht vor gewalttätigen Übergriffen auf JournalistInnen zurück. Besondere Sorge bereitet den Abgeordneten der Zustand der öffentlich-rechtlichen Medien in einigen EU-Mitgliedstaaten. Sie seien dort zu regierungsfreundlichen Propagandakanälen mutiert. Vor diesem Hintergrund fordert das Parlament die Kommission dazu auf, in jedem EU-Land die Transparenz der Eigentumsverhältnisse im Medienbereich zu bewerten. EU-Gelder dürften nicht für staatlich kontrollierte Medien oder Politpropaganda ausgegeben werden.
Verbesserung der EU-Demokratie bis zu den Europawahlen 2024
Das Parlament sprach sich dafür aus, die Demokratie auf europäischer Ebene bis zu den nächsten Europawahlen 2024 zu stärken. Es verabschiedete eine Resolution, in der es die Lehren aus den Europawahlen 2019 zog. Die Abgeordneten begrüßten die hohe Wahlbeteiligung bei den letzten Europawahlen – insbesondere unter jungen WählerInnen. Bis zu den Europawahlen 2024 müssten dennoch einige Reformen umgesetzt werden, welche die europäische Dimension der Europawahlen stärken. Dazu gehören u.a. eine EU-weite Herabsetzung des Mindestwahlalters auf 16 Jahre. Obwohl das SpitzenkandidatInnen-Verfahren bei den letzten Europawahlen scheiterte, sollte es nicht ad acta gelegt werden. Die WählerInnen sollen auch bei den kommenden Europawahlen bestimmen können, wer KommissionspräsidentIn wird.
Neue EU-Industriestrategie
Die Mehrheit der Abgeordneten forderte die Kommission dazu auf, eine überarbeitete Industriestrategie für die EU vorzulegen. Die Strategie solle in einer ersten Phase zur Erholung von der durch COVID-19 verursachten Wirtschaftskrise beitragen. Eine zweite Phase müsse auf den Wiederaufbau und den Strukturwandel ausgerichtet sein. Darüber hinaus solle die neue Strategie der EU insbesondere dabei helfen, die Klimaneutralität zu erreichen, den europäischen Green Deal umzusetzen, den digitalen und ökologischen Wandel zu bewältigen und hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen.
EU-Grundrechte: Warnung vor Verschlechterungen
Das Parlament verabschiedete seinen Bericht (2018-2019) über die Lage der Grundrechte in der EU, in dem zahlreiche Problembereiche aufgezeigt werden. So seien etwa schutzbedürftige Gruppen – insbesondere Frauen, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen, Kinder, MigrantInnen etc. – unverhältnismäßig stark von Kürzungen der Staatsausgaben betroffen. Gleichzeitig sei ein „organisierter Rückschlag“ gegen Geschlechtergleichstellung und Frauenrechte sowie eine Normalisierung von Hetze und Rassismus festzustellen. Die Abgeordneten verurteilen mit Nachdruck die Bemühungen in einigen Mitgliedsstaaten, die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz zu schwächen und bekräftigen die dringende Notwendigkeit eines EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte.
Weitere Höhepunkte
In einer Debatte mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte die Mehrheit der Fraktionen im Parlament Polen und Ungarn nachdrücklich dazu auf, ihr Veto des Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 sowie der daran gekoppelten Corona-Hilfsgelder aufzuheben. Beide Länder haben ein Veto gegen das künftige EU-Budget eingelegt, um eine Verknüfung mit rechtsstaatlichen Kriterien zu verhindern. Auch von der Leyen forderte die polnische und die ungarische Regierung dazu auf, dringend benötigte Aufbaumittel für EU-BürgerInnen und den EU-Haushalt nicht länger zu blockieren.
Das Plenum billigte ein neues Gesetz, welches es VerbraucherInnengruppen künftig ermöglicht, ihre Kräfte zu bündeln und Sammelklagen in der EU anzustrengen. So werden zum einen die VerbraucherInnen vor Massenschäden geschützt. Zum anderen bieten die neuen Vorschriften aber auch angemessene Garantien, dass es nicht zu missbräuchlichen Klagen kommt.
Die nächste Plenarsitzung findet von 14. bis 17. Dezember 2020 statt.