Die aktuelle Plenarsitzung des Europäischen Parlaments hat von 22. bis 25. April 2024 stattgefunden.
Die namentlichen Abstimmungen behandelten die folgenden Themen
- Parlament nimmt neue EU-Schuldenregeln an
- Parlament verabschiedet EU-Lieferkettengesetz
- Erstes EU-Gesetz zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen
- EU-Verpackungsverordnung: Weniger Verpackungen, mehr Recycling
- Parlament billigt Überarbeitung der Gemeinsamen Agrarpolitik
Parlament nimmt neue EU-Schuldenregeln an
Die Mehrheit der Abgeordneten verabschiedete ein Gesetzespaket für neue EU-Schuldenregeln. Kern sind nationale Pläne zum Schuldenabbau sowie klare Schuldenreduktionsziele. Demnach müssen Länder mit einer übermäßigen Verschuldung diese um durchschnittlich 1 % pro Jahr reduzieren, wenn die Verschuldung über 90 % des BIP liegt, und um durchschnittlich 0,5 % pro Jahr, wenn sie zwischen 60% und 90% liegt. Liegt das Defizit eines Landes über 3 % des BIP, müsste es in Wachstumsperioden auf 1,5 % gesenkt werden, um einen Ausgabenpuffer für schwierige wirtschaftliche Bedingungen zu schaffen. Das neue Regelwerk ist auf die individuellen Gegebenheiten der EU-Länder abgestimmt. So kann die Frist zur Erreichung der Ziele in den nationalen Plänen verlängert werden und Abweichungen vom Plan sind unter außergewöhnlichen Umständen gestattet.
Parlament verabschiedet EU-Lieferkettengesetz
Das Parlament gab grünes Licht für das sogenannte „EU-Lieferkettengesetz“. Demnach sollen Unternehmen sowie ihre vor- und nachgelagerten Zulieferer bzw. Partner künftig vor europäischen Gerichten zur Verantwortung gezogen werden können, wenn sie von Menschenrechtsverstößen bzw. Umweltzerstörung in ihren Lieferketten profitieren. Die neuen Vorschriften gelten für Unternehmen aus der EU und aus Drittstaaten mit mehr als 450 Mio. Euro Umsatz sowie für Franchiseunternehmen mit über 80 Mio. Euro Umsatz. Die Unternehmen müssen einen Übergangsplan ausarbeiten, damit ihr Geschäftsmodell mit dem Ziel des Klimaabkommens von Paris vereinbar ist. Bei Verstößen gegen die Regeln drohen Geldstrafen. Darüber hinaus haften die Unternehmen für Schäden, die durch die Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten entstehen.
Erstes EU-Gesetz zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen
Das Parlament billigte die ersten EU-Vorschriften zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und von häuslicher Gewalt. Die neuen Regeln sollen geschlechtsspezifischer Gewalt vorbeugen und Betroffene schützen. So sind u. a. Genitalverstümmelung bei Frauen und Mädchen sowie Zwangsheirat künftig verboten. Zudem enthält die Richtlinie bestimmte Leitlinien für im Internet begangene Straftaten, wie etwa die Offenlegung privater Informationen und das sogenannte „Cyberflashing“. Auch sollen Opfer künftig bessere Unterstützung bekommen und entsprechende Maßnahmen gegen Vergewaltigungen ergriffen werden.
EU-Verpackungsverordnung: Weniger Verpackungen, mehr Recycling
Die Mehrheit der Abgeordneten sprach sich für neue EU-Regeln zur Bekämpfung des ständig wachsenden Verpackungsmülls aus. Die Verordnung umfasst nicht nur Zielvorgaben für die Verpackungsreduzierung (5 % bis 2030, 10 % bis 2035 und 15 % bis 2040), sie verpflichtet auch die EU-Staaten, für weniger Verpackungsmüll aus Kunststoff zu sorgen. So werden ab dem 1. Januar 2030 z. B. bestimmte Einwegverpackungen aus Kunststoff verboten. Darüber hinaus sollen sogenannte „Ewigkeitschemikalien“ in Verpackungen reduziert werden, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen. Die Maßnahmen betreffen die gesamte Lebensdauer von Verpackungen.
Parlament billigt Überarbeitung der Gemeinsamen Agrarpolitik
Die Mehrheit der Abgeordneten hat die Überprüfung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) gebilligt, um den Verwaltungsaufwand für EU-LandwirtInnen zu verringern. Mit der Überarbeitung der GAP werden die Regeln für drei Umweltauflagen geändert, die LandwirtInnen erfüllen müssen, um Fördermittel zu erhalten. Außerdem wird den EU-Ländern mehr Flexibilität eingeräumt, damit sie Ausnahmen von den GAP-Standards gewähren können, wenn es Probleme bei der Anwendung dieser Standards gibt oder wenn sie durch extreme Wetterbedingungen verursacht werden. Kleinere landwirtschaftliche Betriebe sollen von Kontrollen und Strafen befreit werden, wenn sie bestimmte Vorschriften nicht einhalten.
Weitere Höhepunkte
Das Parlament verabschiedete den Europäischen Behindertenausweis und Parkausweis für Menschen mit Behinderungen. Er soll sicherstellen, dass Menschen mit Behinderungen bei kurzzeitigen Reisen gleichberechtigten Zugang zu Sonderkonditionen haben, wie z. B. ermäßigte oder kostenlose Eintrittspreise und Zugang zu reservierten Parkplätzen.
Das Parlament nahm die Richtlinie über das Recht auf Reparatur an. Ziel ist es, Abfälle zu reduzieren und die Reparaturbranche zu stärken – indem das Reparieren von Geräten einfacher und kostengünstiger gemacht wird. U. a. sollen HerstellerInnen künftig dazu verpflichtet werden, Produkte nach der gesetzlichen Gewährleistungszeit zu angemessenen Preisen und innerhalb angemessener Zeiträume zu reparieren. VerbraucherInnen müssen Zugang zu Ersatzteilen, Werkzeugen und Reparaturinformationen haben.
Nach den jüngsten Enthüllungen über Versuche des Kremls, das Funktionieren der demokratischen Prozesse in Europa zu beeinträchtigen, haben die Abgeordneten eine Entschließung angenommen, in der sie solche Versuche nachdrücklich verurteilen. Sie zeigten sich entsetzt angesichts der glaubwürdigen Behauptungen, wonach einige Abgeordnete dafür bezahlt wurden, russische Propaganda zu verbreiten. Darum forderten sie die Mitgliedstaaten dazu auf, sich mit den russischen Einmischungsversuchen auseinanderzusetzen. Angesichts der bevorstehenden Europawahlen vom 6. bis 9. Juni 2024 sei dies dringend geboten.
Die nächste Plenarsitzung findet von 15. bis 18. Juli 2024 statt.