Die aktuelle Plenarsitzung des Europäischen Parlaments hat von 21. bis 24. November 2022 stattgefunden.
Die namentlichen Abstimmungen behandelten die folgenden Themen
- Neue Regeln zum Schutz kritischer Infrastruktur in der EU
- Parlament erklärt Russland zu staatlichem Terrorismus-Unterstützer
- Erweiterungspolitik als wirksamstes geopolitisches Instrument der EU
- 18 Mrd. Euro Darlehen für die Ukraine im Jahr 2023
- Parlament spricht sich für das Einfrieren von EU-Geldern für Ungarn aus
Neue Regeln zum Schutz kritischer Infrastruktur in der EU
Das Parlament hat ein neues Gesetz verabschiedet, das die „kritische Infrastruktur“ der EU besser schützen soll. Damit wird unter anderem eine einheitliche, EU-weit gültige Definition für diesen Begriff festgelegt. Das neue Gesetz umfasst strengere Regeln für die Risikobewertung und Berichterstattung in elf wichtigen Bereichen, darunter digitale Infrastruktur, Wasser, Lebensmittel und Gesundheit. Außerdem müssen die Mitgliedstaaten Resilienzstrategien verabschieden und zentrale Anlaufstellen für länderübergreifende Kommunikation schaffen.
Parlament erklärt Russland zum staatlichen Terrorismus-Unterstützer
Nach den Gräueltaten Russlands gegen die Zivilbevölkerung der Ukraine hat das Parlament das Land als „dem Terrorismus Vorschub leistenden Staat“ sowie als „terroristische Mittel einsetzenden Staat“ eingestuft. Die Abgeordneten fordern die EU dazu auf, Russland international weiter zu isolieren, die Kontakte mit offiziellen VertreterInnen Russlands auf das absolut notwendige Mindestmaß zu beschränken und staatsnahe russische Einrichtungen in der EU, die russische Staatspropaganda verbreiten, zu verbieten. Darüber hinaus sollten die EU-Mitgliedstaaten ihre Arbeit an einem neunten Sanktionspaket gegen Moskau rasch abschließen.
Erweiterungspolitik als wirksamstes geopolitisches Instrument der EU
Die Abgeordneten fordern die EU dazu auf, den Erweiterungsprozess sowohl in den Mitgliedstaaten als auch in den Bewerberländern wiederzubeleben. Angesichts der wachsenden Bedrohung des europäischen Friedens durch Russland bleibe die Erweiterungspolitik das wirksamste geopolitische Instrument, das der EU zur Verfügung steht. Die EU sollte ihren Entscheidungsfindungsprozess für die Aufnahme neuer Mitglieder reformieren, sich vom Einstimmigkeitsprinzip lösen und stattdessen künftig mit qualifizierter Mehrheit entscheiden. Die zugesagten Verpflichtungen gegenüber dem westlichen Balkan und den Ländern der Östlichen Partnerschaft sollten jedenfalls eingehalten werden. Darüber hinaus müsse die EU sicherstellen, dass Beitrittskandidaten keine Alternativen zu einer EU-Vollmitgliedschaft angeboten werden.
18 Mrd. Euro Darlehen für die Ukraine im Jahr 2023
Das Parlament billigte ein Darlehen von 18 Mrd. Euro, um die Ukraine angesichts des russischen Angriffskrieges zu unterstützen. Das Geld soll für wichtige öffentlicher Dienstleistungen – wie den Betrieb von Krankenhäusern, Schulen und die Bereitstellung von Wohnraum für umgesiedelte Menschen -, für makroökonomische Stabilität und die Wiederherstellung zentraler, von Russland zerstörter Infrastrukturen verwendet werden. Das Darlehen ist für die Ukraine aber auch an Bedingungen geknüpft. Es erfordert Reformen, um die Institutionen des Landes zu stärken und das Land sowohl auf den Wiederaufbau als auch auf den Weg zur EU-Mitgliedschaft vorzubereiten.
Parlament spricht sich für das Einfrieren von EU-Geldern für Ungarn aus
Am 18. September 2022 schlug die EU-Kommission vor, 7,5 Mrd. Euro an EU-Mitteln für Ungarn einzufrieren, nachdem sie im April den Rechtsstaatlichkeitsmechanismus der EU gegen Ungarn ausgelöst hatte. Sie begründetet dieses Vorgehen mit Problemen im Zusammenhang mit Korruption und der Veruntreuung von EU-Geldern. Ungarn hat daraufhin 17 Abhilfemaßnahmen vorgelegt, um die Bedenken der Kommission auszuräumen. Das Parlament befand in einer Entschließung, dass diese 17 Maßnahmen nicht ausreichend sind. Es rief die Mitgliedstaaten und die Kommission dazu auf, sich nicht von Ungarns Vetodrohungen bei einstimmigen Entscheidungen beeindrucken zu lassen und mit dem bereits in Gang gesetzten Rechtsstaatlichkeitsmechanismus fortzufahren, der letztlich zu einer Suspendierung von EU-Geldern für Ungarn führen würde.
Weitere Höhepunkte
Das Parlament nahm die Richtlinie über Frauen in Aufsichtsräten an – zehn Jahre nach der erstmaligen Vorlage des Vorschlags. Bis Juli 2026 müssen alle großen börsennotierten Unternehmen in der EU dafür sorgen, dass es mehr Frauen in ihren Führungsetagen gibt. Konkret sollen mindestens 40 % der Posten nicht geschäftsführender DirektorInnen bzw. 33 % aller Unternehmensleitungsposten vom unterrepräsentierten Geschlecht besetzt werden. Die Mitgliedstaaten müssen darüber hinaus abschreckende und verhältnismäßige Sanktionen für Unternehmen vorsehen, in denen es keine offenen und transparenten Einstellungsverfahren gibt und die sich nicht an die Vorgaben halten. Für kleine und mittlere Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten gilt die Richtlinie nicht.
Das Parlament nahm das EU-Budget für 2023 an. Die Schwerpunkte liegen in den Bereichen Energie, Unterstützung für die Ukraine, wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie, Infrastruktur und Erasmus+. Das EU-Budget für 2023 umfasst insgesamt 186,6 Mrd. Euro an Mittelbindungen und 168,7 Mrd. Euro an Zahlungen.
Die nächste Plenarsitzung findet von 12. bis 15. Dezember 2022 statt.