Abstimmungsmonitoring der österreichischen EU-Abgeordneten (Plenarsitzung, 12.-15. September 2022)

Die aktuelle Plenarsitzung des Europäischen Parlaments hat von 12. bis 15. September 2022 stattgefunden.

Die namentlichen Abstimmungen behandelten die folgenden Themen

  • Neue Regeln zur Bekämpfung der von der EU verursachten Entwaldung
  • Neue Regeln für angemessene EU-weite Mindestlöhne
  • Richtlinie zur Förderung der Nutzung erneuerbarer Energien
  • Neue Regeln für europäische politische Parteien und Stiftungen
  • Ungarn: Berichtsentwurf stellt „Zerfall der Demokratie“ fest

Neue Regeln zur Bekämpfung der von der EU verursachten Entwaldung

Das Plenum hat seinen Standpunkt zur geplanten Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten angenommen. Das neue Gesetz würde den Unternehmen eine Sorgfaltspflicht auferlegen. Sie müssten weltweit überprüfen, dass in der EU verkaufte Waren nicht auf abgeholzten oder von Waldschädigung betroffenen Flächen hergestellt wurden. So würde auch der Beitrag der EU zum Klimawandel und zum Verlust der biologischen Vielfalt verringert. Die Abgeordneten forderten u.a. eine Ausweitung des Geltungsbereiches des Gesetzes auf Schweinefleisch, Schafe und Ziegen, Geflügel, Mais, Kautschuk, Holzkohle und bedruckte Papierprodukte. Außerdem sollen Unternehmen künftig nachweisen, dass Waren im Einklang mit internationalen Menschenrechtsbestimmungen hergestellt werden und die Rechte der indigenen Völker dabei respektiert werden.

Neue Regeln für angemessene EU-weite Mindestlöhne

Das Parlament nahm neue Rechtsvorschriften über angemessene Mindestlöhne in der EU an. Die Vorschriften legen Mindestanforderungen an die Angemessenheit der in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften bzw. Tarifverträgen vorgesehenen gesetzlichen Mindestlöhne fest und sorgen dafür, dass die Erwerbstätigen wirksameren Zugang zum Mindestlohnschutz erhalten. So soll sichergestellt werden, dass die Mindestlöhne in den EU-Staaten menschenwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen ermöglichen. EU-Mitgliedstaaten, in denen der Mindestlohn bereits ausschließlich mithilfe von Tarifverträgen geschützt ist, sind nicht verpflichtet, diese Regeln einzuführen. Gleichzeitig sprachen sich die Abgeordneten für eine Stärkung der Tarifbindung in Staaten aus, in denen Tarife für weniger als 80 % der Erwerbstätigen gelten.

Richtlinie zur Förderung der Nutzung erneuerbarer Energien

Die Mehrheit Abgeordneten stimmte dafür, den Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch der EU bis 2030 auf 45 % zu erhöhen. In den Rechtsvorschriften werden Unterziele für Branchen wie Verkehr, Gebäude sowie Fernwärme und -kälte festgelegt. Im Verkehrssektor soll der Einsatz erneuerbarer Energien zu einer 16-prozentigen Verringerung der Treibhausgasemissionen führen, und zwar durch einen höheren Anteil an Biokraftstoffen und erneuerbaren Kraftstoffen nicht biogenen Ursprungs wie Wasserstoff. Die Industrie sollte ihre Nutzung erneuerbarer Energien um 1,9 Prozentpunkte pro Jahr steigern, die Fernwärmenetze um 2,3 Punkte. Die Abgeordneten nahmen auch Änderungsanträge an, die eine schrittweise Senkung des Anteils von Holz als erneuerbare Energiequelle fordern. In einer weiteren Abstimmung sprach sich das Parlament für die Überarbeitung der Energieeffizienz-Richtlinie aus, die Ziele für Energieeinsparungen in der EU festlegt.

Neue Regeln für europäische politische Parteien und Stiftungen

Das Parlament verabschiedete seinen Standpunkt im Hinblick auf eine Überarbeitung der Regeln für europäische politische Parteien und Stiftungen. Geht es nach den Abgeordneten, so sollen europäische Parteien künftig transparenter sein. Darüber hinaus soll die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den europäischen Parteien und ihren nationalen Mitgliedsparteien verbessert werden. Nationale Parteien aus Ländern außerhalb der EU müssen sich den europäischen Werten verschreiben und Mitglieder des Europarates sein. Die Zusammensetzung europäischer Parteien sollte geschlechtergerecht sein, darüber hinaus braucht es Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Diskriminierung und sexuelle Belästigung.

Ungarn: Berichtsentwurf stellt „Zerfall der Demokratie“ fest

Das Parlament verurteilte die vorsätzlichen und systematischen Bestrebungen der ungarischen Regierung, die europäischen Werte zu untergraben. Das Fehlen entschlossener Maßnahmen der EU habe zu einem Zerfall der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte in Ungarn beigetragen sowie zur Entstehung einer „Wahlautokratie“. Die Abgeordneten forderten erneut, dass Mittel aus dem EU-Aufbaufonds zurückgehalten werden, bis das Land die EU-Empfehlungen und Gerichtsurteile befolgt. Sie bedauerten, dass der Rat nicht in der Lage sei nennenswerte Fortschritte zu erzielen, um den demokratischen Rückschritten entgegenzuwirken. Mangelnde Fortschritte im Verfahren nach Artikel 7 kämen einem Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit durch den Rat selbst gleich.

  

Weitere Höhepunkte

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hielt ihre jährliche Rede zur Lage der Europäischen Union vor dem Plenum des Parlaments. Zum Krieg gegen die Ukraine erklärte die Kommissionspräsidentin, dass der russische Präsident Wladimir Putin scheitern und Europa sich durchsetzen werde. Sie unterstrich die Notwendigkeit der EU-Sanktionen gegen Russland und kündigte an, 100 Mio. Euro für die Wiederherstellung beschädigter ukrainischer Schulen bereitzustellen sowie die Ukraine in das gebührenfreie Roaming-Gebiet der EU und den Binnenmarkt aufzunehmen. Im Hinblick auf die steigenden Energiepreise will die Kommission Maßnahmen vorschlagen, die den Mitgliedstaaten helfen sollen, ihren Stromverbrauch zu senken, sowie eine Obergrenze für die Einnahmen von Unternehmen einführen, die Strom zu niedrigen Kosten produzieren. So sollen mehr als 140 Mrd. Euro zusammenkommen, um die BürgerInnen zu entlasten. Außerdem kündigte von der Leyen eine Reform des europäischen Strommarktes an. Hinsichtlich der Konferenz über die Zukunft Europas betonte die Kommissionspräsidentin, dass die Bürgerforen nun regelmäßig tagen werden und dass die Zeit für einen Europäischen Konvent gekommen sei. Weitere Themen, die von der Leyen ansprach, waren der Kampf gegen Einmischung aus dem Ausland zum Schutz unserer Demokratien, eine engere Zusammenarbeit mit Ländern wie Chile, Mexiko, Neuseeland, Australien und Indien sowie Vorschläge für einen Europäischen Souveränitätsfonds, ein Europäisches Gesetz über kritische Rohstoffe, eine Europäische Wasserstoffbank und ein KMU-Entlastungspaket.

Die nächste Plenarsitzung findet von 03. bis 06. Oktober 2022 statt.