Die aktuelle Plenarsitzung des Europäischen Parlaments hat von 08. bis 11. Juni 2015 in Straßburg stattgefunden.
Die ÖGfE hat das Abstimmungsverhalten aller österreichischen EU-Abgeordneten zu ausgewählten Punkten der Tagesordnung beobachtet. Die untersuchten namentlichen Abstimmungen behandelten die folgenden Themen:
- EU-Gleichstellungsstrategie 2016-2020
- Schutz geistiger Eigentumsrechte außerhalb der EU
- Beziehungen EU-Russland
- Fortschrittsbericht 2014 über die Türkei
- Klimawandel: die Zeit nach Kyoto
EU-Gleichstellungsstrategie 2016-2020
Die Abgeordneten nahmen mit knapper Mehrheit (341 dafür, 281 dagegen, 81 Enthaltungen) eine Entschließung zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der EU an. Darin formuliert das Parlament seine Forderungen für die neue EU-Gleichstellungsstrategie 2016-2020. Diese brauche klarere Zielsetzungen, mehr konkrete Maßnahmen und ihre Umsetzung müsse besser überwacht werden. Nur so könnten bestehende Benachteiligungen von Frauen in den Bereichen Beschäftigung, Bildung und Gesundheit sowie bei politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen effektiv bekämpft werden. Auch neue Formen von Gewalt gegen Frauen, wie etwa Cyber-Harassment/Stalking/Mobbing, müssten stärker ins Visier genommen werden. Ziel ist es, Geschlechtergerechtigkeit in ganz Europa herzustellen.
Schutz geistiger Eigentumsrechte außerhalb der EU
Die Mehrheit der Abgeordneten sprach sich dafür aus, geistiges Eigentum aus der EU in Drittländern besser zu schützen. Dies sei deshalb nötig, weil die Wettbewerbsfähigkeit der EU auf Kreativität und Innovation basiere, die Union aber nur begrenzte Mittel zum Schutz ihrer UrheberInnen in Drittländern habe. In der Resolution wird festgehalten, dass es einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der RechteinhaberInnen und den Interessen der EndnutzerInnen brauche. Die Vorschläge berücksichtigen die Lehren, die das Parlament aus der Ablehnung des Übereinkommens zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie (ACTA) vor drei Jahren gezogen hat.
Beziehungen EU-Russland
Seit Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine und der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim ist die Situation zwischen der EU und Russland angespannt. Die Mehrheit der Abgeordneten forderte die EU nun dazu auf, ihre Beziehungen zu Russland kritisch zu überdenken. So müssten mehr Mittel zur Bekämpfung russischer Propaganda in der EU und im Ausland bereitgestellt werden und die EU solle aktiv russische BürgerInnen unterstützen, die sich für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einsetzten. Auch die Finanzierung extremistischer politischer Parteien in der EU durch Russland müsse strenger überwacht werden. Auf lange Sicht seien dennoch konstruktive Beziehungen wünschenswert. Dazu müsse Russland aber die territoriale Souveränität und Integrität der Ukraine einschließlich der Krim achten, das Minsker Abkommen umsetzen und destabilisierende Operationen an den EU-Grenzen beenden.
Fortschrittsbericht 2014 über die Türkei
Das Plenum nahm eine Entschließung an, in der die Reformbemühungen der Türkei im Jahr 2014 bewertet werden. Die Türkei müsse sich eindeutig zu demokratischen Werten und Grundsätzen bekennen, Medien- und Meinungsfreiheit sowie die Unabhängigkeit der Justiz garantieren und Korruption bekämpfen. Aber auch die EU müsse enger mit der Türkei zusammen arbeiten, um das Land bei seinen Reformbemühungen zu unterstützen. Die Abgeordneten begrüßten in diesem Zusammenhang die vor kurzem abgehaltenen Parlamentswahlen.
Klimawandel: die Zeit nach Kyoto
Die Doha-Änderung des Klimaprotokolls von Kyoto regelt die Zeit zwischen dem Auslaufen des Kyoto-Abkommens (2012) und dem Inkrafttreten eines neuen globalen Klimaschutzabkommens (2020). Sie sieht vor, dass die Unterzeichnerstaaten ihre jährlichen Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2013-2020 auf durchschnittlich 80% ihrer Emissionen im Basisjahr (meist 1990) reduzieren. Die Abgeordneten forderten die Mitgliedstaaten dazu auf, die Ratifizierung der Doha-Änderung voranzutreiben.
Weitere Höhepunkte der Sitzungswoche:
- Für kontroverse Diskussionen sorgte die Vertagung der geplanten Abstimmung und Diskussion über die Position des Parlaments zu TTIP. Aufgrund der hohen Anzahl an Änderungsanträgen beschloss Parlamentspräsident Martin Schulz, den Bericht an den Ausschuss für Internationalen Handel zurückzuverweisen.
- In einer Resolution zur Lage in Ungarn verurteilte das Plenum erneut die von Viktor Orbán geäußerten Überlegungen zur Wiedereinführung der Todesstrafe in Ungarn sowie die von der ungarischen Regierung eingeleitete nationale Befragung zur Einwanderung. Die Abgeordneten forderten die Kommission dazu auf, die demokratische, rechtsstaatliche und grundrechtliche Situation in Ungarn besser zu überwachen. Die Resolution wurde mit 362 Stimmen verabschiedet (247 Gegenstimmen/88 Enthaltungen).
Die nächste Plenarsitzung findet von 06. bis 09. Juli 2015 in Straßburg statt.