Abstimmungsmonitoring der österreichischen EU-Abgeordneten (Plenarsitzung 07. bis 10. September 2015)

Die ÖGfE hat das Abstimmungsverhalten aller österreichischen EU-Abgeordneten zu ausgewählten Punkten der Tagesordnung beobachtet. Die untersuchten namentlichen Abstimmungen behandelten die folgenden Themen:

  • Europäische Bürgerinitiative zum Recht auf Wasser
  • Lage der Grundrechte in der EU 2013-2014
  • Klonverbot von Nutztieren
  • Notfallplan für die Verteilung von Asylsuchenden
  • Stärkung der Stellung von Mädchen in der EU durch Bildung

Europäische Bürgerinitiative zum Recht auf Wasser
Eine knappe Mehrheit der Abgeordneten appellierte an die Kommission, die in der Europäischen Bürgerinitiative zum Recht auf Wasser gestellten Forderungen umzusetzen. Mit einer Europäischen Bürgerinitiative können EU-BürgerInnen die Kommission dazu auffordern, Rechtsvorschriften zu initiieren. Die Bürgerinitiative „Recht auf Wasser“ unterzeichneten insgesamt 1,8 Mill. Menschen. Sie sprachen sich mit ihrer Unterschrift dafür aus, den Zugang zu Wasser und Sanitärversorgung in der EU für alle Menschen zu garantieren. Wasser dürfe nicht als Handelsware aufgefasst werden. Der Ball liegt nun bei der Kommission, die nach Meinung des Parlaments aber zu zögerlich handelt. In der Resolution wird auch festgelegt, dass die Dienstleistungen Wasserversorgung und Abwasserentsorgung von TTIP und weiteren künftigen Handelsabkommen der EU ausgenommen werden sollen.

Lage der Grundrechte in der EU 2013-2014
Das Plenum nahm mit knapper Mehrheit eine Resolution zur Lage der Grundrechte in der EU an. Die Abgeordneten sehen Versäumnisse bei der Wahrung der Grundrechte von MigrantInnen und AsylwerberInnen und fordern eine gerechte Aufteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU. Auch die im Zuge der Krise gesetzten Sparmaßnahmen werden in der Resolution kritisiert. Sie hätten die ökonomischen, zivilen, sozialen und kulturellen Rechte der EU-BürgerInnen beeinträchtigt. Um Grundrechtsverletzungen in Zukunft zu vermeiden, solle die Kommission ein jährliches Monitoring durchführen.

Klonverbot von Nutztieren
Die Mehrheit der Abgeordneten stimmte für ein strenges Klonverbot in der EU und verschärfte dadurch den ursprünglichen Gesetzesvorschlag der Kommission. Künftig soll das Klonverbot für alle Nutztiere gelten und nicht nur für Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen und Pferde. Darüber hinaus soll die Verwendung der Nachkommen von Klontieren, der von ihnen stammenden Produkte sowie die Einfuhr dieser Tiere in die EU untersagt werden. Der von der Kommission als Richtlinie konzipierte Gesetzesentwurf wurde durch die Änderungen des Parlaments in eine Verordnung umgewandelt, die unmittelbar in allen Mitgliedstaaten umzusetzen ist.

Notfallplan für die Verteilung von Asylsuchenden
Angesichts der starken Überlastung der griechischen und italienischen Asylsysteme stimmte das Parlament einem befristeten Notfallplan für die Verteilung von Asylsuchenden zu. Er sieht vor, in den kommenden zwei Jahren zunächst 40.000 Asylsuchende aus Griechenland und Italien in andere EU-Länder umzusiedeln. Auf lange Sicht wird eine dauerhafte Notfall-Umsiedelungsregelung angestrebt, die auf einer gerechten Aufteilung der Verantwortung zwischen den EU-Mitgliedstaaten basiert.

Stärkung der Stellung von Mädchen in der EU durch Bildung
Das Bildungssystem spielt eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung der Benachteiligung von Mädchen und Frauen in der EU. Die Mehrheit der Abgeordneten sprach sich für die Einführung eines auf geschlechtergerechten Prinzipien basierenden Unterrichts aus. Ziel ist es, eine Schulkultur zu schaffen, die geschlechterstereotypen und sexistischen Vorstellungen entgegenwirkt, auf Respekt und Gegenseitigkeit fußende Beziehungen propagiert und letztlich das Selbstbewusstsein von Mädchen dahingehend stärkt, sich häufiger (natur)wissenschaftlichen Fächern zuzuwenden. Dies solle letztlich dazu führen, die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern zu verringern.

Weitere Höhepunkte der Sitzungswoche

In seiner Rede zur Lage der Union kritisierte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den derzeitigen Zustand der EU. Grundtenor war, dass es in der EU dringend mehr Europa und Union brauche, da diese zu sehr von nationalen Interessen bestimmt werde. Oberste Priorität hätten momentan die Flüchtlingskrise und eine gemeinsame europäische Antwort darauf (u.a. eine faire Aufteilung der Flüchtlinge, eine rasche Integration sowie eine Neubewertung der sicheren Herkunftsländer). Aber auch die Wirtschaftskrise sei noch nicht überwunden und das Ziel der Vollbeschäftigung in Europa liege in weiter Ferne. Erfreut zeigte sich Juncker über die Abwendung eines Grexit. Es sei nun wichtig, für Griechenland und für den Euro-Raum einen Neustart einzuläuten. Auch im Hinblick auf einen evtl. bevorstehenden Brexit meinte er, dass man einen fairen Deal mit den BritInnen erzielen müsse. In außenpolitischen Angelegenheiten gehe es schließlich ebenfalls darum, als vereintes Europa aufzutreten – sowohl an der Seite der Ukraine als auch im Kampf gegen den Klimawandel.

In einer Entschließung begrüßten die Abgeordneten die neuen Vorschläge der Kommission zur Bewältigung des Flüchtlingsstroms. Sie forderten eine Änderung der Dublin-Regeln und die Einführung eines fairen, verpflichtenden Verteilungsschlüssels für die Aufteilung der Flüchtlinge zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Ein weiterer wichtiger Punkt sei die Schaffung legaler Fluchtwege in die EU, wie etwa humanitäre Visa. Abschließend lobten die Abgeordneten das Engagement der europäischen Zivilgesellschaft. Sie habe sich in den letzten Wochen in ganz Europa massiv für Flüchtlinge eingesetzt.

Die nächste Plenarsitzung findet von 05. bis 08. Oktober 2015 in Straßburg statt.