Die aktuelle Plenarsitzung des Europäischen Parlaments hat von 07. bis 10. Juni 2021 stattgefunden.
Die namentlichen Abstimmungen behandelten die folgenden Themen
- Grünes Licht für EU-weiten digitalen Corona-Ausweis
- Vorübergehende Aussetzung von Patenten auf Corona-Impfstoffe
- Rechtsstaatlichkeit: Untätigkeitsklage gegen Kommission
- Biodiversität: Verbindliche Ziele für Artenschutz
- Parlament unterstützt EU-BürgerInneninitiative für ein Ende der Käfighaltung
Grünes Licht für EU-weiten digitalen Corona-Ausweis
Die Mitgliedstaaten stellen den Ausweis kostenlos aus. Man kann damit nachweisen, dass man gegen COVID-19 geimpft wurde, kürzlich ein negatives Testergebnis erhalten hat oder von der Erkrankung genesen ist. Um kostengünstige Testmöglichkeiten anbieten zu können, werden die Mitgliedstaaten mit 100 Mio. Euro EU-Geldern unterstützt. Ein gemeinsamer Rahmen soll sicherstellen, dass die Zertifikate der Mitgliedstaaten gegenseitig anerkannt werden können. Das Parlament konnte überdies erreichen, dass keine zusätzlichen Reisebeschränkungen wie Quarantäne, Selbstisolation oder Tests für InhaberInnen des Ausweises eingeführt werden dürfen – es sei denn, sie sind verhältnismäßig und notwendig für den Schutz der öffentlichen Gesundheit. Die neue Regelung tritt am 1. Juli 2021 für zwölf Monate in Kraft.
Vorübergehende Aussetzung von Patenten auf Corona-Impfstoffe
Um die weltweite Impfkampagne zu beschleunigen, fordern die Abgeordneten den vorübergehenden Verzicht auf Rechte des geistigen Eigentums für Corona-Impfstoffe. Da der überwiegende Teil der bis Juni 2021 weltweit etwa 1,6 Milliarden Impfstoffdosen größtenteils in Industrieländern und impfstoffproduzierenden Ländern verabreicht wurde, und nur 0,3Prozent in den 29 ärmsten Ländern, müsse die EU insbesondere die Produktion in Afrika unterstützen. Ein wichtiges Instrument zur Bereitstellung von Impfstoffen für einkommensschwache Länder sei der globale Impfstoff-Verteilungsmechanismus COVAX, dessen Mittel laut Parlament aufgestockt werden sollten.
Rechtsstaatlichkeit: Untätigkeitsklage gegen Kommission
Die Konditionalitätsverordnung, die EU-Gelder vor Missbrauch durch EU-Regierungen schützen soll, ist am 1. Jänner 2021 in Kraft getreten. Trotzdem hat die Kommission bis dato keine Maßnahmen im Rahmen der neuen Regeln vorgeschlagen und auch die Leitlinien für die Anwendung der Verordnung noch nicht fertiggestellt. Die Abgeordneten sind besorgt über die zunehmende Gefahr, dass EU-Haushaltsmittel als Mittel zur Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit in einigen Mitgliedstaaten missbraucht werden. Vor diesem Hintergrund fordert das Plenum die Kommission dazu auf, rasch auf die schwerwiegenden Verstöße gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit in einigen Mitgliedsstaaten zu reagieren. Ansonsten ziehe man in Erwägung, ein Gerichtsverfahren gemäß Artikel 265 AEUV gegen die Kommission einzuleiten.
Biodiversität: Verbindliche Ziele für Artenschutz
Vor dem Hintergrund des weltweiten Aussterbens von Pflanzen- und Tierarten fordert das Parlament die Verabschiedung eines EU-Biodiversitätsgesetzes nach dem Vorbild des EU-Klimagesetzes. Es solle sicherstellen, dass mindestens 30 Prozent der Landfläche und der Meeresgebiete der EU als Schutzgebiete ausgewiesen sind. Darüber hinaus brauche es verbindliche Ziele für biologische Vielfalt in Städten, z. B. einen Mindestanteil begrünter Dächer bei Neubauten und auch Sofortmaßnahmen gegen den Schwund der Bestände von Bienen und anderen Bestäubern seien dringend nötig.
Parlament unterstützt EU-BürgerInneninitiative für ein Ende der Käfighaltung
In ihrer Antwort auf die Europäische Bürgerinitiative “Schluss mit der Käfighaltung” fordern die Abgeordneten die EU-Kommission dazu auf, Gesetzesvorschläge für ein Verbot der Käfighaltung in der EU vorzulegen. Alternativen zur Käfighaltung existieren und werden in einer Reihe von Mitgliedsstaaten bereits erfolgreich umgesetzt. Bevor gesetzliche Änderungen vorgenommen werden, müssten allerdings Landwirte und Viehzüchter eine ausreichend lange Übergangszeit und angemessene Unterstützung erhalten.
Weitere Höhepunkte
Der diesjährige LUX-Filmpreis des Europäischen Parlaments ging an den Film “Kollektiv-Korruption tötet” des rumänischen Regisseurs Alexander Nanau. Der Dokumentarfilm ist nach dem Bukarester Nachtlub „Colective“ benannt, in dem im Jahr 2015 bei einem Brand 27 junge Menschen starben und 180 Personen verletzt wurden. Ein Team von Journalisten versuchte nach dem Brand herauszufinden, warum 37 der Verletzten im Krankenhaus sterben mussten, obwohl ihre Verletzungen nicht lebensgefährlich waren. Aufgedeckt wurden desaströse Missstände rund um Vetternwirtschaft und Korruption.
Die Abgeordneten billigten das Siebenjahresprogramm für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit „Europa in der Welt“. Es ist mit 79,5 Mrd. Euro ausgestattet und soll die nachhaltige Entwicklung in den EU-Nachbarschaftsländern, in Afrika, Asien, Amerika, im Pazifik und der Karibik unterstützen.
Das Parlament forderte die EU dazu auf, diejenigen zu bestrafen, die an der erzwungenen Landung eines Flugzeugs in Minsk am 23. Mai 2021 und an der Verhaftung des weißrussischen Journalisten Roman Protassewitsch und seiner Lebensgefährtin Sofia Sapega beteiligt waren. Sie verurteilten die „Ryanair-Entführung“ aufs Schärfste und bezeichneten sie als einen Akt des „Staatsterrorismus“. Die Abgeordneten forderten darüber hinaus die Suspendierung Weißrusslands von internationalen Sportgremien und internationalen Veranstaltungen, einschließlich Europa- und Weltmeisterschaften und den Olympischen Spielen in Tokio.
Die nächste Plenarsitzung findet von 05. bis 08. Juli 2021 statt.