Abstimmungsmonitoring der österreichischen EU-Abgeordneten (Plenarsitzung, 04.-07. Juli 2022)

Die aktuelle Plenarsitzung des Europäischen Parlaments hat von 04. bis 07. Juli 2022 stattgefunden.

Die namentlichen Abstimmungen behandelten die folgenden Themen

  • Taxonomie: Einspruch gegen Einstufung von Gas und Atomkraft als nachhaltig
  • Gesetz über digitale Dienste: Regulierung von Technologieunternehmen
  • Grünes Licht für Euro-Beitritt Kroatiens am 1. Jänner 2023
  • Ungarn blockiert Steuerabkommen: Parlament kritisiert nationale Vetos
  • Fit for 55: Parlament drängt auf umweltfreundlichere Flugkraftstoffe

Taxonomie: Einspruch gegen Einstufung von Gas und Atomkraft als nachhaltig

Der delegierte Rechtsakt zur sogenannten Taxonomie-Verordnung der EU-Kommission wurde nicht abgelehnt. Private Investitionen in Erdgas und Atomkraft sollen beim ökologischen Wandel eine Rolle spielen und werden nun vorübergehend, sowie an bestimmte Bedingungen und Transparenzanforderungen geknüpft, in die Liste der ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten aufgenommen. 278 Abgeordnete sprachen sich gegen die Taxonomie-Verordnung aus. Für ein Veto des Parlaments gegen den Kommissionsvorschlag wäre eine absolute Mehrheit von mindestens 353 Abgeordneten notwendig gewesen. Lehnt bis zum 11. Juli 2022 weder das Parlament noch der Rat den delegierten Rechtsakt zur Taxonomie-Verordnung ab, tritt er am 1. Jänner 2023 in Kraft.   

Gesetz über digitale Dienste: Regulierung von Technologieunternehmen

Das Parlament verabschiedete ein neues Gesetz über digitale Dienste und ein Gesetz über digitale Märkte. Die beiden Gesetze sollen klare Regeln für Technologieunternehmen festlegen, die mit den Grundrechten der EU im Einklang stehen. So verpflichtet das Gesetz über digitale Dienste AnbieterInnen digitaler Dienste – wie soziale Medien oder Marktplätze – dazu, gegen die Verbreitung illegaler Online-Inhalte sowie Desinformation vorzugehen. Darüber hinaus umfassen die neuen Verpflichtungen u.a. auch mehr Transparenz für Online-Plattformen, indem diese die Nutzung von Algorithmen offenlegen, sowie ein Verbot irreführender Praktiken und bestimmter Arten gezielter Werbung, etwa Werbung für Kinder und Werbung auf der Grundlage sensibler Daten. Das Gesetz über digitale Märkte legt Verpflichtungen für große Online-Plattformen fest, die als sogenannte Gatekeeper auf dem digitalen Markt tätig sind. So soll es Gatekeepern u.a. nicht mehr möglich sein, ihre eigenen Dienste bzw. Produkte auf ihren Plattformen besser zu bewerten als die Dritter oder personenbezogene Daten von NutzerInnen für gezielte Werbung zu nutzen, es sei denn, diese stimmen dem ausdrücklich zu.

Grünes Licht für Euro-Beitritt Kroatiens am 1. Jänner 2023 

Die Mehrheit der Abgeordneten befürwortete den Beitritt Kroatiens zum Euro-Raum. Kroatien wird den Euro somit am 1. Jänner 2023 als Währung einführen. Im Bericht wird hervorgehoben, dass Kroatien trotz COVID-19 Pandemie, dem russischen Krieg gegen die Ukraine und einer hohen Inflation alle Kriterien erfülle, um den Euro einzuführen. Nichts desto trotz müsse sich die kroatische Regierung auch weiterhin darum bemühen, die Preiskonvergenz voranzutreiben, um eine künstliche Preissteigerung zu verhindern.

Ungarn blockiert Steuerabkommen: Parlament kritisiert nationale Vetos

Die Abgeordneten kritisierten, dass Länder wie Ungarn ihr Vetorecht in Steuerfragen missbrauchen. Sie forderten Ungarn auf, seine Blockade des internationalen Abkommens über einen globalen Mindeststeuersatz für multinationale Unternehmen unverzüglich aufzugeben. In der Entschließung heißt es weiter, dass die bestehenden weltweiten und EU-Steuerregeln veraltet und nicht für die moderne Wirtschaft geeignet seien, sie würden Steuervermeidung begünstigen und KMU schaden. Langfristig gesehen wäre es außerdem zu begrüßen, wenn die Kommission die Idee der schrittweisen Einführung von Mehrheitsentscheidungen in Steuerangelegenheiten wieder aufgreifen würde.

Fit for 55: Parlament drängt auf umweltfreundlichere Flugkraftstoffe

Das Parlament nahm seinen Standpunkt zu einem Gesetzesvorschlag an, mit dem der Einsatz nachhaltiger Kraftstoffe in Flugzeugen und auf Flughäfen in der EU gefördert werden soll, um die Emissionen aus dem Luftverkehr zu senken und sicherzustellen, dass Europa bis 2050 klimaneutral werden kann. Dabei erhöhten die Abgeordneten den ursprünglichen Vorschlag der Kommission für den Mindestvolumenanteil für nachhaltigen Flugkraftstoff. So sollen FlugkraftstoffanbieterInnen ab 2025 nachhaltigen Treibstoff liefern, mit der Vorgabe, bis 2050 einen Anteil von 85% auf EU-Flughäfen zu erreichen. Künftig sollen Strom aus erneuerbaren Quellen sowie Wasserstoff Teil des neuen Kraftstoffmixes sein, da sie schrittweise zur Dekarbonisierung des Luftverkehrs beitragen könnten. Darüber hinaus hat das Parlament die Einrichtung eines Fonds für einen nachhaltigen Flugverkehr vorgeschlagen, um Investitionen in nachhaltige Flugkraftstoffe zu unterstützen.

  

Weitere Höhepunkte

 

Der tschechische Premierminister Petr Fiala stellte die Prioritäten der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft vor, die Tschechien am 1. Juli 2022 von Frankreich übernommen hat. Das Motto der tschechischen Ratspräsidentschaft lautet „Europe as a Task: Rethink, Rebuild, Repower“. Es unterstreicht die Notwendigkeit, die derzeitige EU-Politik im Lichte des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine neu zu bewerten. Die Schwerpunkte der Ratspräsidentschaft sind die Bewältigung der Flüchtlingskrise und der Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg, die Energieversorgungssicherheit, die Stärkung von Europas Verteidigungsfähigkeiten und der Cybersicherheit, die strategische Widerstandsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und die Widerstandsfähigkeit demokratischer Institutionen.

Das Parlament zog Bilanz über die Entwicklungen und Fortschritte im Hinblick auf einen EU-Beitritt der drei Westbalkanländer Bosnien und Herzegowina, Serbien und Kosovo. In Bosnien und Herzegowina müsse der politische Stillstand dringend beendet werden, um die für den EU-Beitrittskandidatenstatus notwendigen Reformen weiter voranzutreiben. Insbesondere die sezessionistischen Bestrebungen sowie die Blockade der staatlichen Institutionen seitens der Führung der Republika Srpska müssten sanktioniert werden, um die Pattsituation zu beenden. Im Hinblick auf die Entwicklungen im Kosovo hoben die Abgeordneten die erhöhte politische Stabilität im Land hervor. Vor diesem Hintergrund forderten sie die EU-Mitgliedstaaten erneut dazu auf, einer Visaliberalisierung für die KosovarInnen zuzustimmen, um die Glaubwürdigkeit der EU nicht zu untergraben. Obwohl die EU-Mitgliedschaft nach wie vor ein strategisches Ziel für Serbien darstelle, seien in letzter Zeit Rückschritte zu bemerken gewesen, so die Abgeordneten. Es brauche dringend Fortschritte in den Bereichen Rechtstaatlichkeit, Grundrechte, Meinungsfreiheit und Medienpluralismus sowie eine Normalisierung der Beziehungen mit dem Kosovo. Darüber hinaus stellten die Abgeordneten mit Bedauern fest, dass Serbien die EU-Sanktionen gegen Russland nach dem Einmarsch in der Ukraine nicht befürworte.

Die nächste Plenarsitzung findet von 12. bis 15. September 2022 statt.