Das Vertrauensdefizit in der EU-Peripherie

Handlungsempfehlungen

  1. Die Informationspolitik der EU sollte sich mehr auf Erfolge (etwa im Bereich der Wettbewerbspolitik) und das hohe Vertrauen in sie konzentrieren als auf die schwierigen, noch ungelösten Probleme (etwa im Bereich der Klima- oder Immigrationspolitik).
  2. Der rasche Wandel durch Globalisierung, Digitalisierung, Klimawandel und Migration hat Teile der Bevölkerung verunsichert. Bei allem Verständnis der Konkurrenz gegenüber China und den USA sollte der Modernisierungsdruck etwas verringert werden.
  3. Gegenüber den Oststaaten sollte die EU die Europäischen Werte weiterhin mit Nachdruck verteidigen.

Zusammenfassung

Die südlichen und östlichen Mitgliedsstaaten der EU leiden unter einem Vertrauensdefizit, das vor allem politische Parteien, Regierungen und Parlamente betrifft; daraus werden vielfach Befürchtungen für die Demokratie oder für den Zusammenhalt der EU abgeleitet. Dem widerspricht, dass das Nord-Süd-Gefälle in Bezug auf Lebenszufriedenheit oder Vertrauen in die Demokratie viel weniger ausgeprägt ist. Vor allem aber zeigt sich, dass das Vertrauen in die EU deutlich größer ist als in die jeweiligen nationalen Institutionen. Das wirft die Frage nach den Ursachen des Vertrauensdefizits im Osten und im Süden auf. Im Policy Brief werden drei Erklärungsansätze diskutiert: die Spaltung der Gesellschaft, die langen Schatten der Vergangenheit und die kulturelle Gegenreaktion.
Manches spricht dafür, die Vertrauensschwäche im Osten als Übergangsproblem zu interpretieren; im Süden erscheint der Vertrauensverlust infolge politischer Zersplitterung und Reformstau als ernstes gesellschaftliches Problem. Die EU sollte ihren Vertrauensvorsprung nützen, um die Verunsicherung durch den raschen Wandel zu reduzieren und die von den Regierungen vielfach wenig beliebten Reformprozesse zu unterstützen; angesichts der Vertrauensvorsprungs kann sie sich Konflikte mit den Regierungen leisten.

****************************

Das Vertrauensdefizit in der EU-Peripherie

Nicht bloß die Medien[1], auch die Wissenschaft  zeigt sich besorgt ob des geringen Vertrauens der EU-BürgerInnen in die Zukunft von Demokratie, Freiheit und Sicherheit, besonders im Osten Europas: “The findings of this survey suggest that the countries polled are now in a dark and dangerous state, beset by fears for the future of democracy, freedom, and security.” (Open Society 2019, 25) Tatsächlich vertrauen in der EU-28 (bis einschließlich Jänner 2020 vor dem Austritt des Vereinigten Königreichs) bloß 35% der Bevölkerung ihrem nationalen Parlament, mit einem ausgeprägten Gefälle vom Norden mit 60% über den Süden (33%) und Osten (26%) zum Südosten (18%)[2]. Die Evidenz ist allerdings in vierfacher Weise zu relativieren: Erstens ist das Vertrauen EU-weit in die nationalen Parlamente und die Regierungen zwar in der Finanzkrise deutlich gesunken, hat inzwischen die alten Werte aber wieder erreicht. Zweitens ist das Vertrauen in die staatlichen Institutionen der USA noch erheblich niedriger und sinkt überdies seit rund drei Jahrzehnten. Drittens sind die EU-BürgerInnen im Süden und Osten mit der Demokratie als solche deutlich zufriedener (jeweils über 40%) als mit ihren nationalen Parlamenten; im Osten hat die Zufriedenheit mit der Demokratie in den letzten drei Jahrzehnten sogar deutlich zugenommen (Pew 2019, 44). Viertens kann das mangelnde Vertrauen in Regierung und nationales Parlament schließlich auch eine Folge besonders hoher Erwartungen sein. Das geringe Vertrauen der Bevölkerung in der südlichen und östlichen EU-Peripherie in ihre nationalen Parlamente steht in auffallendem Gegensatz zu dem relativ hohen Vertrauen in die EU und das Europäische Parlament: Während das Vertrauen in EU und EU-Parlament im Norden etwa gleich hoch ist wie in das nationale ist es im Süden und Osten etwa doppelt so hoch; zwei Drittel sprechen sich für ein Verbleiben in der EU aus. Das ist insofern überraschend, als die Globalisierung im Osten und Süden keineswegs positiv eingeschätzt wird: Mehr als die Hälfte sehen in ihr eine Gefährdung der nationalen Identität, und vielfach wird sie auch als wachstumsdämpfend betrachtet.

Vertrauen der Bevölkerung (EU-28)

 Quelle: Eurobarometer 90; eigene Aggregierung (ungewichtet)

Norden: Dänemark, Finnland, Irland, Schweden
Mitte: Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Österreich
Baltikum: Estland, Lettland, Litauen
Osten: Kroatien, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn
Süden: Griechenland, Italien, Malta, Portugal, Spanien, Zypern
Südosten: Bulgarien, Rumänien

Erklärungsansätze des Nordwest-/Südost-Gefälles

Das geringe Vertrauen der südlichen und östlichen Peripherie ist Teil einer generellen Vertrauensschwäche; auch Medien oder sozialen Netzwerken wird nicht vertraut. Das hindert die Mehrheit der EU-Bevölkerung allerdings nicht daran, „mit dem Leben, das sie führen“ zufrieden zu sein, wenn auch diesbezüglich ein leichtes Gefälle vom Norden (96% zufrieden) über die Mitte (91%), den Osten und Süden (jeweils 78%) zum Südosten (60%) besteht. Was kann den generellen Pessimismus erklären, der nicht zuletzt in der Unzufriedenheit mit den PolitikerInnen zum Ausdruck kommt? Im Süden mag das Ende des raschen Aufholwachstums und die seit der Finanzkrise gesunkene Kaufkraft der Haushaltseinkommen eine gewisse Rolle gespielt haben; im Osten hingegen ist die Kaufkraft in den letzten eineinhalb Jahrzehnten von rund der Hälfte des EU-Schnitts auf zwei Drittel bis drei Viertel gestiegen.
Im Folgenden werden drei Erklärungsansätze vorgeschlagen:

  1. die Spaltung der Gesellschaft,
  2. die langen Schatten der Vergangenheit und
  3. die kulturelle Gegenreaktion – speziell im Osten.

Spaltung der Gesellschaft und Populismus

Da mangelndes Vertrauen mit illiberalen und integrationsskeptischen Einstellungen verbunden ist, gibt es eine Tendenz zur Polarisierung (Pitlik and Rode 2019). Eine Konfrontation von altem und neuem Mittelstand hat, nicht bloß in Europa sondern in großen Teilen der Welt, die traditionelle Rechts/Links-Spaltung abgelöst. Reckwitz (2019, 272) spricht von der „Auflösung der alten nivellierten Mittelstandsgesellschaft in Richtung einer ökonomisch, kulturell und räumlich polarisierten Sozialstruktur“. Die Trennlinien verlaufen entlang der Kategorien jung/alt, konservativ/fortschrittlich, urban/ländlich, und nicht zuletzt entlang der formalen Bildungskategorien. Personen mit höherem Bildungsabschluss schätzen das Europäische Parlament gut eineinhalb Mal so positiv ein wie die übrigen, ManagerInnen fast doppelt so positiv wie manuelle ArbeiterInnen, und BewohnerInnen größerer Städte um ein Fünftel positiver als die BewohnerInnen des ländlichen Raums (EU Parlameter 2019).

Da mangelndes Vertrauen mit illiberalen und integrationsskeptischen Einstellungen verbunden ist, gibt es eine Tendenz zur Polarisierung.

Image EU-Parlament

Quelle: EU Parlameter 2019

Im Westen und Süden haben die Parteien durch diese Spaltung ihre Kernwählerschichten verloren, damit auch ihre spezifische Identität; der Verlust stabiler Mehrheiten wirkt sich auf das Parlament aus. Die Globalisierung schränkt den Spielraum nationaler Politik ein, was sich negativ auf das Vertrauen in die Regierungen und deren Lösungskompetenz auswirkt; gemeinsam mit der höheren Komplexität fördert diese Entwicklung populistische Strömungen und radikale Ansätze, die vereinfachte Lösungen anbieten. Im Osten, wo der konservative Mittelstand infolge des höheren Agraranteils, der kleinbetrieblichen Struktur und der geringeren Urbanisierung größere Bedeutung hat, wird er von autoritären PolitikerInnen mit populistischen Strategien bedient. Die Regierungen im Osten versprechen vielfach eine Wiederbelebung „authentischer“ nationaler Traditionen und suchen eine neue Identität in einer Übereinkunft mit den eigenen Vorfahren.

Die Globalisierung schränkt den Spielraum nationaler Politik ein, was sich negativ auf das Vertrauen in die Regierungen und deren Lösungskompetenz auswirkt.

Die langen Schatten der Vergangenheit

Die neuere Literatur betont zunehmend die lange Nachwirkung gesellschaftlicher und institutioneller Strukturen der Vergangenheit. Tabellini (2010) etwa zeigt, dass Alphabetisierungsrate, Urbanisationsgrad, politische Institutionen oder Vertrauen zu Ende des 19. Jahrhunderts hohen Erklärungswert für die gegenwärtige Wirtschaftslage der europäischen Regionen haben. Kershaw (2019, 218) führt die Schwäche der Demokratie in Südeuropa auf die lange Dominanz autoritärer Regierungen, kleiner mächtiger Eliten und klientelistischer Politik zurück. Das hat das zu einer zersplitterten politischen Landschaft und kurzlebigen Regierungen geführt. Im Osten wirkt die lange Periode kommunistischer Herrschaft noch nach, und im Südosten kann man von funktionierenden Demokratien noch immer nicht sprechen[3]. Es ist daher nicht überraschend, dass in allen drei Regionen das Vertrauen in Heer und Polizei gut doppelt so hoch ist wie in das nationale Parlament, die Regierung und rund vier Mal so hoch wie in die politischen Parteien.

Die neuere Literatur betont zunehmend die lange Nachwirkung gesellschaftlicher und institutioneller Strukturen der Vergangenheit.

Kulturelle Gegenreaktion

Im Osten können Vertrauensmangel und illiberale Politik überdies als politische Gegenreaktion auf die Transformation und als Folge enttäuschter Erwartungen im Sinn eines „cultural backlash“ erklärt werden (Krastev and Holmes 2019). Der wirtschaftliche Aufholprozess, so rasch er auch war, erwies sich als langsamer als erhofft und überdies differenzierter. Neun Zehntel der BürgerInnen im Osten glauben, dass vor allem die PolitikerInnen vom Übergang zur Marktwirtschaft profitiert hätten; dass es auch den einfachen Leuten besser geht, glauben hingegen bloß drei Viertel (Pew 2019, 27), und zwei Drittel bis drei Viertel der BürgerInnen in den ehemaligen Oststaaten halten die Behauptung einer übergroßen Distanz zwischen Elite und Volk für gerechtfertigt (Austria Society 2018, 23). Überdies blieb der erhoffte Souveränitätsgewinn aus: An die Stelle der Einschränkungen der Souveränität durch Russland im Rahmen von COMECON und der Breschnew-Doktrin[4] war der Vorrang des EU-Rechts getreten – eine zwar andere, doch das Selbstbewusstsein ähnlich störende Souveränitätsbeschränkung[5]. Der Traum von der EU als Symbol für Fortschritt und individuelle Freiheit stieß an die Realität einer supranationalen Institution, die die nationale Souveränität beschränkt, wenn auch nicht stärker als die der übrigen Mitglieder. (Pelinka 2019, 1)

Der wirtschaftliche Aufholprozess, so rasch er auch war, erwies sich als langsamer als erhofft und überdies differenzierter.

Insofern leidet der Osten unter einem Identitätsdilemma: “On the one side, a nativist reactionary trend, against a dilution of national identity, and resenting the past 30 years as a race towards being a copycat of the West; on the other, a force embracing multiculturalism, pluralism, and openness to others, where civil and individual liberties are seen as progress.” (Open Society 2019, 18) Der Widerstand gegen die durch den EU-Beitritt erforderliche und von der EU überwachte Copycat-Strategie ließ die zunächst erheblichen Reformanstrengungen nachlassen (Krastev and Holmes 2019; Javorcik 2019, 37). Die „Governance Indicators“ der Weltbank zeigen sogar eine rückläufige Entwicklung: In Ungarn hat der Indikator der demokratischen Mitbestimmung (voice and accountability) seit 1996 von 1,0 auf 0,3[6] abgenommen, der der Regierungseffektivität von 0,9 auf 0,5, der der Rechtsstaatlichkeit von 0,9 auf 0,6 und der der Korruptionskontrolle von 0,7 auf 0,0. In Polen war die rückläufige Entwicklung schwächer ausgeprägt: Der Index der demokratischen Mitbestimmung sank von 1,0 auf 0,7, der der Rechtsstaatlichkeit von 0,8 auf 0,4 und der der Korruptionskontrolle von 0,7 auf 0,6; der Index der Staatseffektivität blieb unverändert. Insoweit ist es nicht verwunderlich, dass 59% der Ungarn und 64% der Polen den Rechtsstaat in Gefahr sehen (Open Society 2019, 7); 95% der Ungarn, wenn auch bloß 72% der Polen halten ein faires Justizsystem als besonders wichtig (Pew 2019, 36).
[zitat inhalt=”Der Widerstand gegen die durch den EU-Beitritt erforderliche und von der EU überwachte Copycat-Strategie ließ die zunächst erheblichen Reformanstrengungen nachlassen.”]
Bemerkenswert erscheint die Inkonsistenz der Meinungsbildung: Die Ungarn vertrauen – trotz der Angst vor der Gefährdung des Rechtsstaats – ihrer Regierung (48%) und ihrem Parlament (64%) überdurchschnittlich, und 74%, zwei Fünftel mehr als 1991, meinen, dass der Staat in ihrem Interesse agiere (Pew 2019, 49). Nichtsdestotrotz hält bloß ein Drittel die Wahlen für fair (Open Society 2019, 7), und zwei Drittel befürchten negative Folgen einer Kritik an der Regierung (Open Society 2019, 8). In Polen ist die Lage etwas ausgeglichener: Vertrauen in Regierung und Parlament sind niedrig (33% bzw. 26%), die Meinung, dass der Staat im Interesse der BürgerInnen agiere ist geringer als in Ungarn (56%); weniger als die Hälfte hält Wahlen für fair, und 55% befürchten negative Folgen einer Kritik an der Regierung. In Tschechien ist das Vertrauen in Regierung (28%) und Parlament (16%) selbst für östliche Verhältnisse niedrig, die Zufriedenheit mit der Demokratie ist dennoch überdurchschnittlich groß (66%), 79% meinen, dass der Staat in ihrem Interesse agiere, und 67% halten die Wahlen für fair. Mehr als die Hälfte der Tschechen (55%) fürchtet sich jedoch vor negativen Folgen einer Regierungskritik.

Schlussfolgerungen

Die Verunsicherung durch die rasche Entwicklung als Folge von Globalisierung, Digitalisierung und Migration hat die Gesellschaft polarisiert: Die Trennlinien verlaufen entlang der Kategorien jung/alt, konservativ/fortschrittlich, urban/ländlich, und nicht zuletzt entlang der formalen Bildungskategorien. Die Parteien haben ihre Kernwählerschichten verloren, damit auch ihre spezifische Identität; der Verlust stabiler Mehrheiten strahlt auf die nationalen Parlamente und das europäische Parlament aus. Die Globalisierung schränkt den Spielraum nationaler Politik ein, was sich negativ auf das Vertrauen in die Regierungen und deren Lösungskompetenzen auswirkt; gemeinsam mit der höheren Komplexität fördert das populistische Strömungen und radikale Ansätze, die einfache Lösungen anbieten.

Die Parteien haben ihre Kernwählerschichten verloren, damit auch ihre spezifische Identität; der Verlust stabiler Mehrheiten strahlt auf die nationalen Parlamente und das europäische Parlament aus.

Die EU-Mitglieder im Norden und in der Mitte kommen mit diesen Herausforderungen eher zurecht als die südlichen und östlichen. Im Süden, und z. T. auch in Frankreich, liegt das Problem primär in der politischen Instabilität, die Reformen verhindert und die wirtschaftliche Entwicklung dämpft. Im Osten dürfte es sich primär um Übergangsprobleme handeln, die allerdings nicht unterschätzt werden dürfen. Nach beachtlichen Erfolgen vor dem EU-Beitritt sind die Reformanstrengungen inzwischen zum Stillstand gekommen, und autoritäre Tendenzen der Regierungen streben nationale Alleingänge an, gestützt auf die konservativen Teile der Bevölkerung; der Widerstand der Jüngeren und der gebildeten Schichten ist allerdings erheblich. Im Südosten wären selbst die bestehenden Ansätze der Demokratie gefährdet, wenn sich die Unzufriedenheit der Bevölkerung nicht in massiven Protesten äußern würde (Spöri 2019).

Nach beachtlichen Erfolgen vor dem EU-Beitritt sind die Reformanstrengungen inzwischen zum Stillstand gekommen, und autoritäre Tendenzen der Regierungen streben nationale Alleingänge an, gestützt auf die konservativen Teile der Bevölkerung.

Vertrauensstärkende Politik ist angesichts der Heterogenität der Länder und Probleme dringend erforderlich, aber schwierig. Die Verunsicherung zu reduzieren ist zwar entscheidend, doch nicht leicht umzusetzen. Die Gewinne aus der Integration, vor allem für die südliche Peripherie und die ehemaligen Staaten des Ostblocks, waren recht ungleich verteilt; es gilt die Verlierer zu identifizieren und zu entschädigen. Auch könnte die Globalisierungspolitik temporär etwas leiser treten: Freihandel unter Ungleichen ist nicht unproblematisch (Rodrik 2017), und die Freizügigkeit des Personenverkehrs hat zu problematischer Abwanderung und Brain-Drain auf der einen Seite und zu sozialen Spannungen auf der anderen geführt.

Die Gewinne aus der Integration, vor allem für die südliche Peripherie und die ehemaligen Staaten des Ostblocks, waren recht ungleich verteilt; es gilt die Verlierer zu identifizieren und zu entschädigen.

Die EU müsste ihren Vertrauensvorsprung nützen, um die Reformen im Osten und Süden zu stützen. Sie kann das angesichts der mehrheitlich proeuropäischen Einstellung der Bevölkerung in diesen Ländern durchaus mit Nachdruck machen. Auch die Zeit arbeitet in diesem Sinn für die EU, da mehrheitlich die Jungen und die rasch zunehmende Zahl der höher Gebildeten proeuropäisch und fortschrittsfreundlich eingestellt sind. Im Europäischen Parlament, das es weiter zu stärken gilt, zeigten sich, zumindest bisher, Ansätze zur Überwindung der starren nationalen Parteiengrenzen.

[1]     „Die Menschen in Mittel- und Osteuropa sorgen sich einer Umfrage zufolge um die Errungenschaften der friedlichen Revolutionen von vor 30 Jahren.“ (Süddeutsche Zeitung, 4.11.2019).
[2]     Wenn nicht anders angeführt stammen die Daten aus Eurobarometer 92.
[3]     Siehe etwa die Governance Indicators der Weltbank, die vor allem bei “rule of law” und “control of corruption” einen erheblichen Rückstand zu “Europe and Central Asia” zeigen.
[4]     Die Breschnew-Doktrin ging von der „beschränkten Souveränität“ der sozialistischen Staaten aus und leitete daraus das Recht ab, einzugreifen, wenn in einem dieser Staaten der Sozialismus bedroht würde.
[5]     Störend für das nationale Selbstbewusstsein war vor allem die zwangsweise, wenn auch unvermeidbare Übernahme des gesamten Rechtsbestands der EU, an dessen Erarbeitung sie nicht mitwirken konnten.
[6]     Die Indikatoren reichen von +2,5 bis -2,5.

  • Austrian Society for European Politics, 2018, Populism in Central Europe, Wien
    Javorcik, Beata, 2019, 30 years of transition (and 26 years of Transition Reports).
  • Achievements of the past 30 years, Unterlage für das Referat auf der Conference on European Economic Integration (CEEI) 2019 der Oesterreichischen Nationalbank am 15.11.2019.
  • Kershaw, Ian, 2019, Achterbahn. Europa 1950 bis heute, München: DVA
  • Krastev, Ivan and Stephen Holmes, 2019, Das Licht das erlosch. Eine Abrechnung, Berlin: Ullstein.
  • Open Society Foundations, 2019, States of change. Attitudes in East and Central Europe 30 Years after the Fall of the Berlin Wall, Open Society Foundations.
  • Pelinka, Anton, 2019, 1989: The year of the great ambivalence, Referat auf der Conference on European Economic Integration (CEEI) 2019 der Oesterreichischen Nationalbank am 15.11.2019.
  • Pew Research Center, 2019, European public opinion three decades after the fall of communism, Pew Research Center.
  • Pitlik, Hans and Martin Rode, 2019, Radical distrust: Are economic policy attitudes tempered by social trust? WIFO WP 594
  • Reckwitz, Andres, 2019, Das Ende der Illusionen. Politik, Ökonomie und Kultur in der Spätmoderne, Berlin: suhrkamp.
  • Rodrik, Dani, 2017, Straight talk on trade: Ideas for a sane world economy, Priceton UP.
  • Spöri, Tobias (27. März, 2019): Erneuter Aufstand gegen autoritäre Regime in Ostmitteleuropa? Info Europa (01/2019): Wind of Change. Protest und Kultur entlang der Donau/Die Presse.
  • Tabellini, Guido, 2010, Culture and institutions: Economic development in the regions of Europe, Journal of the European Economic Association 8(4), 677-716.

ISSN 2305-2635
Die Ansichten, die in dieser Publikation zum Ausdruck kommen, stimmen nicht unbedingt mit jenen der ÖGfE oder jenen der Organisation, für die der Autor arbeitet, überein.
Schlagwörter
Europäische Union, Peripherie, Vertrauensdefizit, Europäisches Parlament, Demokratie, Populismus

Zitation

Tichy, G. (2020). Das Vertrauensdefizit in der EU-Peripherie. Wien. ÖGfE Policy Brief, 00’2020

Gunther Tichy

Gunther Tichy war 14 Jahre Referent für Währung, dann für Konjunktur und Prognose am WIFO, 5 Jahre Abteilungsdirektor für Volkswirtschaft, Marketing und Werbung in der Girozentrale, 20 Jahre Professor für Volkswirtschaftslehre und -politik an der Universität Graz und 12 Jahre Leiter des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.