Am 1. Jänner ist es 30 Jahre her, dass Österreich Mitglied der EU wurde. In diesem Zeitraum waren die Befürworter:innen der Mitgliedschaft stets deutlich in der Mehrheit. Heute werden die wichtigsten Integrationsschritte durchaus positiv bewertet und auch die Identifizierung mit Europa ist gestiegen. Allerdings sind die Sichtweisen durchaus differenziert. Denn nicht alle Bevölkerungsgruppen sehen sich als Gewinner der Integration und in die Beurteilung der derzeitigen Situation der EU mischen sich auch Sorgen und Unzufriedenheit. Zu diesen Ergebnissen kommt eine österreichweite Umfrage der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik, die von 2. bis 5. Dezember 2024 unter 1000 Befragten online durchgeführt wurde.
Über die letzten 30 Jahre liegt die Zahl der Befürworter:innen der heimischen EU-Mitgliedschaft im Durchschnitt bei 70 Prozent; die Zahl jener, die einen EU-Ausstieg präferieren, bei 22 Prozent (72 Umfragen seit 1995). Die höchste Zustimmung zur EU-Mitgliedschaft fand sich im November 1999 (82 Prozent) sowie im Juni/Juli 2002 (80 Prozent), der stärkste Wunsch nach einem Austritt im Juni/Juli 2008 (33 Prozent) sowie im Juni 2015 (32 Prozent).
Aktuell sagen 6 von 10 Befragten, dass Österreich Mitglied der EU bleiben sollte, ein Viertel spricht sich für einen EU-Austritt aus, 15 Prozent sind sich in ihrem Urteil unsicher oder geben keine Antwort.
Nach drei Jahrzehnten EU-Mitgliedschaft sehen sich 47 Prozent sowohl als „Österreicher:in und Europäer:in“, 43 Prozent „nur als Österreicher:in“ und 5 Prozent „nur als Europäer:in“. In den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl jener, die sich sowohl als Österreicher als auch Europäer sehen, um 13 Prozentpunkte gewachsen. Die Zahl jener, die sich ausschließlich mit Österreich identifizieren, ist heute um 18 Prozentpunkte niedriger.
Fast drei Viertel bilanzieren, dass die Einführung des Euro als gemeinsame Währung sich für Österreich „sehr positiv“ (37 Prozent) bzw. „eher positiv“ (36 Prozent) ausgewirkt hat. Ein knappes Viertel sagt hingegen, die Euro-Einführung sei „eher“ (10 Prozent) oder „sehr negativ“ (13 Prozent) für Österreich gewesen (Rest auf 100 Prozent = weiß nicht / keine Angabe). In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Zahl jener, die den Euro als „sehr positiv“ betrachten, deutlich – um 14 Prozentpunkte – erhöht. Allerdings ist auch die Zahl jener, die ihn als „sehr negativ“ bewerten, um 10 Prozentpunkte gestiegen.
7 von 10 Befragten empfinden das Ende von Pass- und Grenzkontrollen als „sehr“ (37 Prozent) bzw. „eher positiv“ (33 Prozent) für Österreich, eine Meinung, der sich etwas mehr als ein Viertel nicht anschließt („eher negativ“: 14 Prozent / „sehr negativ“: 13 Prozent). Im Vergleich zu Umfragen zur 20- bzw. 25-jährigen Wiederkehr des EU-Beitritts ist die Bilanz deutlich positiver geworden.
Etwas mehr als die Hälfte resümiert, dass die Erweiterungen der EU „sehr“ (18 Prozent) bzw. „eher positiv“ (34 Prozent) für Österreich gewesen sind. Vier von zehn Befragten sehen das nicht so und werten die Aufnahme neuer Mitglieder in den letzten 30 Jahren als „eher“ (24 Prozent) oder „sehr negativ“ (18 Prozent) für unser Land. Die Meinung zur Erweiterung hat sich vor allem im Vergleich zu 2014 verbessert, in den letzten fünf Jahren haben sich dagegen vor allem die Extrempositionen („sehr positiv“ – „sehr negativ“) akzentuiert.
Nach Meinung der Befragten sind es vor allem die großen Unternehmen, die von der EU-Mitgliedschaft Österreichs profitiert haben, gefolgt von den jungen Menschen in Österreich sowie Arbeitnehmer:innen. Die Bilanz für kleine und mittlere Unternehmen fällt dagegen gemischt aus, Landwirt:innen hätten unter den abgefragten Bevölkerungsgruppen am wenigsten profitiert, für Pensionistinnen und Pensionisten hat sich wiederum, so das heimische Urteil, am wenigsten durch den EU-Beitritt geändert.
Was die Einschätzung der EU-Gegenwart und Zukunft betrifft, schlägt die allgemein negative Stimmung in Österreich deutlich auf das EU-Meinungsbild durch.
So sehen 71 Prozent der Befragten die EU als „schwach“, 61 Prozent empfinden sie als „unsicher“. 54 Prozent halten sie für „unsozial“ und in der Frage, ob die Union demokratisch sei, zeigt sich ein geteiltes Meinungsbild.
Ebenso gering fällt aktuell das Zukunftsvertrauen in die Union aus. Insgesamt 55 Prozent äußern sich „eher“ (34 Prozent) bzw. „sehr pessimistisch“ (21 Prozent), was die Zukunft der EU angeht. 39 Prozent bleiben zuversichtlich und sehen sie „eher“ (33 Prozent) oder mit „sehr“ (6 Prozent) großem Optimismus.
Hintergrund:
Die aktuelle Umfrage wurde von market (www.market.at) von 2. bis 5. Dezember 2024 im Auftrag der ÖGfE durchgeführt. Befragt wurden österreichweit 1000 Personen online, österreichische Bevölkerung, 16 bis 80 Jahre, repräsentativ für Alter, Geschlecht, Region und Bildung. Maximale statistische Schwankungsbreite +/- 3,16 Prozent. Differenz auf 100 Prozent aufgrund gerundeter Werte. Fehlende Werte auf 100 Prozent = „weiß nicht / keine Angabe“.