FPÖ und ÖVP in der europapolitischen Sackgasse – Gastkommentar

Beim Thema EU werden FPÖ und ÖVP einander nicht finden.

Die oft zitierten Möglichkeiten der potenziellen Koalitionspartner, europapolitisch auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, gibt es, sie sind jedoch enden wollend: eine Regierungsvereinbarung kann inhaltliche Kompromisse festschreiben, der Nationalrat die Regierungsmitglieder in ihrer Stellungnahme binden, eine EU-Koordinierung der österreichischen Positionen wieder über das Außenministerium erfolgen oder es wird vereinbart, sich ohne innerstaatliche Einigung auf europäischer Ebene einfach zu enthalten. Alles gut gemeinte Ideen, die aber den Praxistest nicht bestehen werden. Vielmehr sind sie schon jetzt Ausdruck fehlenden Vertrauens, ohne das ein gemeinsames Regieren nur schwer vorstellbar ist. Koalitionsprogramme bieten in der Regel beträchtliche Interpretationsspielräume und umgehen ganz bewusst so manche Konflikte, die aber im politischen Alltag dafür umso deutlicher zum Vorschein kommen könnten. Darüber hinaus: Wie lange kann ein Koalitionspartner akzeptieren, von dem anderen im Nationalrat überstimmt zu werden?

Bei diametral unterschiedlichen Positionen bleibt eine effiziente innerösterreichische EU-Koordinierung Wunschdenken und führt in eine veritable Sackgasse. Als Konsequenz würde sich Österreich in entscheidenden europäischen Fragen der Stimme enthalten und der Weiterentwicklung Europas erst recht die kalte Schulter zeigen müssen. Ein verlässlicher Partner sieht letztlich doch anders aus, oder? Und würde damit folglich nicht auch genau jene europäische Zusammenarbeit torpediert werden, an der der Volkspartei eigentlich viel gelegen sein sollte? Glaubt denn wirklich irgendjemand, dass sich ein österreichischer Bundeskanzler, insbesondere wenn er Herbert Kickl heißen sollte, einer solchen Selbstbegrenzung unterwerfen würde? – Zweifel sind angebracht!

(Paul Schmidt, Kurier, 12.01.2025)