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Die Welt als Schrebergarten der Nationalisten?

Ihr Applaus ist Donald Trump sicher. Ideologische Umwälzungen mitsamt der Demontage der unbequemen Checks and Balances werden von Europas Nationalisten mit Standing Ovations bedacht, ein drohender Handelskonflikt und die unberechenbaren Folgen eines außen- und sicherheitspolitischen Rückzugs der USA lieber unter den Teppich gekehrt. Das Primat der „eigenen Leute“, die Abkehr von multilateraler Zusammenarbeit, das Leugnen des Klimawandels und das Verfechten eines ultrakonservativen Gesellschaftsmodells sind Pfeiler eines Weltverständnisses, das nationalistische Kräfte des politischen Spektrums diesseits und jenseits des Atlantiks verbindet. Gemein ist ihnen auch die Ablehnung einer starken Europäischen Union. Immerhin ist US-Präsident Trump der Meinung, dass die EU gegründet wurde, um die Vereinigten Staaten über den Tisch zu ziehen, während sich sein Vize demonstrativ an die Seite der lautesten Anti-EU-Stimmen stellt und Europa tatsächlich vorwirft, die Meinungsfreiheit mit Füßen zu treten.

Transatlantische Achse

Das aktionistische Regieren per Präsidialdekreten basiert, sorgfältig geplant, auf dem „Project 2025“ der ultrakonservativen Heritage Foundation, der strategischen Agenda zum Umbau der USA. Dass sich parallel dazu eine transatlantische Achse der Nationalisten festigt, die sich auch dem grundlegenden Rückbau der europäischen Integration verschrieben hat, zeigt sich wiederum in Vorschlägen des polnischen Ordo-Iuris-Instituts, das der rechtskonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) nahesteht, und des Mathias-Corvinus-Collegiums, eng verbunden mit der ungarischen Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orbán, die mittlerweile von etlichen ihrer europäischen Partner geteilt werden.

Ihr Ziel ist es, die europäischen Institutionen zurechtzustutzen und den Mitgliedsländern die Möglichkeit zu geben, sich aus allen Politikbereichen vollends auszuklinken, wenn diese nicht den vermeintlichen eigenen Interessen dienen. Einstimmige Entscheidungen sollen massiv gestärkt, auch die Kompetenzen des Europäischen Gerichtshofs radikal beschnitten werden und der Vorrang von EU- gegenüber nationalem Recht zurückgedrängt sowie europäische Kompetenzen beschränkt werden. EU-Mittel sollen explizit nicht dazu verwendet werden, „die Souveränität der Mitgliedsstaaten zu untergraben oder bestimmte Gruppen ohne Begründung zu bevorzugen“, wobei Förderungen der Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion den Verfassern des Strategiepapiers ein besonderer Dorn im Auge sind.

Um unmissverständlich klarzumachen, wohin die Reise geht, soll die EU in eine „Europäische Gemeinschaft der Nationen“ umbenannt werden. Die Alternative wäre, für die Autoren der beiden Thinktanks, nur die völlige Neugründung einer „Union“, die lediglich den Rahmen für wirtschaftliche Zusammenarbeit bildet, der jedoch weder Rechtspersönlichkeit, Symbole noch politische Zuständigkeit zugestanden wird.

Kein Austritt

Nach den negativen Brexit-Erfahrungen wird tunlichst vermieden, einem EU-Austritt das Wort zu reden. Denn ein Exit wäre gerade in jenen Ländern, in denen besonders stark gegen die EU gewettert wird, alles andere als mehrheitsfähig, würde den Zugang zu EU-Finanzmittel gänzlich versperren und schließlich die bequeme Möglichkeit nehmen, die Union als Sündenbock für alle Verfehlungen dieser Welt ins Treffen zu führen.

Die polnisch-ungarischen Ratschläge würden allerdings zu einer Abschaffung der Europäischen Union in ihrer bisherigen Form führen. Dass ein nationalstaatlicher Fleckerlteppich in einer derart reduzierten, losen Gemeinschaft – unabhängig vom jeweiligen Szenario – in der Praxis nicht funktionieren kann und nicht ansatzweise entscheidungsfähig wäre, ist auch den Verfassern dieses Optionenpapiers nicht verborgen geblieben. Es wäre ein sich ständig blockierendes Staatenbündel, mit dem globale Akteure leichtes Spiel hätten, das Ende des EU-Binnenmarkts und das Ende einer handlungsfähigen Union.

Mehr Ehrlichkeit

Etwas mehr Ehrlichkeit wäre also durchaus angebracht. Denn wenn es aussieht wie eine Ente, schwimmt wie eine Ente und quakt wie eine Ente, dann ist es wahrscheinlich auch eine Ente. Und wenn man meint, die Europäische Union abschaffen zu wollen, dann sollte man zumindest auch den Mut haben, es zu sagen. Die Europäerinnen und Europäer würden ihre Schlüsse daraus ziehen.

(Paul Schmidt, Der Standard, 18.6.2025)

Bild: KI-generiert.